Müllhalde Elfenbeinküste

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht alles was stinkt, ist wertlos. Giftmüll fachgerecht zu entsorgen ist teuer. Um Kosten zu sparen, griff ein multinationaler Konzernriese auf bedenkliche Entsorgungsmethoden zurück.

Im September 2009 veröffentlichte Wikileaks – eine Internetplattform – den Minton-Report über toxische Abfälle an der Elfenbeinküste. Dabei handelt es sich um einen geheim gehaltenen Bericht des multinationalen Rohstoff- und Energiekonzerns Trafigura von 2006 über die Gesundheitsgefährdung durch den in Abidjan entsorgten Abfall des Unternehmens. Diese enthielten unter anderem Schwefelwasserstoff, Thiole und Natriumhydrogensulfid. Der Toxikologe Wilfried Bursch im FURCHE-Interview.

DIE FURCHE: Herr Professor, um welche Substanzen handelt es sich?

Wilfried Bursch: In diesem Bericht wird ja gemutmaßt, dass auf dem Schiff Rohbenzin veredelt wurde, also verwertbar gemacht werden sollte. Das geschieht dadurch, dass man Benzin mit Natronlauge versetzt und oxidiert, um Schwefelverbindungen abzutrennen und somit schwefelärmer zu machen. Das ist ein chemisches Verfahren, bei dem Schwefelverbindungen abfallen, die hochgiftig sind. Und wer schon einmal faule Eier gerochen hat kann erahnen, wie furchtbar das gestunken haben muss.

DIE FURCHE: Noch heute klagen die Einwohner über den Gestank. Warum ist dieser Geruch so hartnäckig?

Bursch: Grundsätzlich wird dieser Geruch mit der Zeit abgebaut. Nach mittlerweile vier Jahren sollte er also schon verschwunden sein. Wenn sich allerdings noch Reste des Mülls dort befinden, ist es möglich, dass es noch immer stinkt.

DIE FURCHE: Wie wirken diese Substanzen auf Umwelt und Mensch?

Bursch: Hier muss man differenzieren. Die Substanzen sind ja grundsätzlich jede für sich giftig, haben jedoch unterschiedliche Wirkungsweisen, sowohl auf Mensch als auch auf Umwelt. Wichtig ist: In jedem Fall kommt es auf die Dosis an. Bleiben wir zunächst beim Menschen. Wenn wir von Natronlauge sprechen: Hier muss der Mensch in Körperkontakt mit der Substanz kommen. Andere Stoffe, wie Mercaptane zum Beispiel, sind flüchtig, diese gehen also in die Luft. Schwefelwasserstoff, das hier ja auf dem Schiff als Abbauprodukt entstanden zu sein scheint, ist ein hochtoxisches Gas. Das Einatmen von Schwefelwasserstoff in so hoher Konzentration ist mit akuter Lebensgefahr verbunden. Es reizt Auge und Lunge, es blockiert die Atemwege. Hier sind auch Langzeitschäden denkbar, denn sind die Zellen einmal zerstört, kann der Gasaustausch nicht mehr stattfinden. Man spricht hier auch von Lungenödemen. Und natürlich können derartige Substanzen auch Umweltschäden verursachen oder in das Trinkwasser gelangen. Auch hier hängt alles von der Dosis und den örtlichen Gegebenheiten ab. Bei einem lehmigen Boden werden giftige Stoffe weniger leicht ins Trinkwasser gelangen, als bei einem lockeren Boden.

DIE FURCHE: Kann sich die Natur wieder erholen, wenn ja, wie lange dauert das?

Bursch: Die Natur erholt sich in der Regel schnell, sofern man sich darum kümmert. So eine Sanierung, das ist ein hoher technischer und finanzieller Aufwand. Die Erde müsste beispielsweise gereinigt, oder Boden ausgehoben werden. Diese Verfahren sind in reicheren Ländern Gang und Gebe. So viel ich weiß, ist die Sanierung des Gebietes an der Elfenbeinküste bis dato nur teilweise erfolgt.

DIE FURCHE: Wie hätte man diesen Giftmüll entsorgen sollen oder können?

Bursch: Den Müll hätte man verbrennen oder mit chemischen Reaktionen arbeiten können; man hätte ihn beispielsweise bis zum Sulfat oxidieren können. Dann hätte kein Schwefelwasserstoff mehr entstehen können.

DIE FURCHE: Wie lässt sich nachweisen dass der abgeladene Giftmüll die Todesfälle, beziehungsweise Tod- und Fehlgeburten verursacht hat?

Bursch: Das Problem ist, dass nichts erwiesen ist. Der Bericht nennt zwar einige Substanzen und geht von Gegebenheiten aus. Für den wissenschaftlichen Beweis müssen jedoch sämtliche Proben genommen werden. Es fehlt ein Risikobewertungsverfahren, das hätte damals sofort durchgeführt werden müssen. Der Bericht baut auf Plausibilitäten. Die Symptome passen natürlich zu den Angaben des Chemikers. Dennoch fehlen die letzten Beweise. Ich glaube nicht, dass Menschen damals obduziert wurden. Natürlich kann man jetzt auch Proben nehmen, aber der Fall liegt vier Jahre zurück. Nichts ist mehr, wie es damals war.

DIE FURCHE: Wie erfolgen derartige Risikobewertungsverfahren?

Bursch: So eine Risikoanalyse ist ein komplexer Prozess. Im Wesentlichen setzt er sich aus Exposition und Schadanalyse zusammen. Zunächst müssen Sie wissen, in welcher Konzentration welche Substanzen wo gewirkt haben; Dann muss als Zweites die Schadwirkung analysiert werden: Welche Wirkungen hat eine Substanz? Ganz wichtig ist hier zunächst die Wirkung ohne schädigenden Effekt zu identifizieren, um Richtwerte zu definieren. Von einer Vergiftung spricht man dann, wenn bestimmte Dosen schädigen. Beim Menschen wir die Toxikologie dann festzustellen, welche Organe betroffen sind.

DIE FURCHE: Die Anklage lautet ja jetzt auf illegale Ausfuhr aus der EU. Gibt es zu wenig rechtliche, europaweite Rahmenbedingungen oder fehlt es schlichtweg an Umweltbewusstsein?

Bursch: Nein, das denke ich nicht – ohne das was geschehen ist, verharmlosen zu wollen. Schon mit dem Entstehen der ersten Umweltämter in den 60er, 70er Jahren ist das Umweltbewusstsein sukzessive gewachsen und damit die Vorkehrungen. Es gibt Richtlinien, Gesetze, Umweltverträglichkeitsverfahren. Die Kontrolle sollte vereinzelt vielleicht verdichtet werden. Aber die Instrumentarien sind grundsätzlich da.

DIE FURCHE: Umweltskandale häufen sich. Hat die Wirtschaftskriminalität in diesem Bereich Ihrer Ansicht nach zugenommen?

Bursch: Die Entsorgung des Mülls ist ja sehr teuer. Ich glaube schon, dass das zu kriminellen Handlungen verleiten kann. Und dass man mit dem Abfall Geld machen kann, hat man mittlerweile auch schon gemerkt. Noch dazu wurde in diesem Fall Giftmüll in einem ärmeren Land entsorgt. An einem Ort, an dem man wohl gehofft hat, dass die eine oder andere Katastrophe zwischen den anderen Katastrophen oder Missständen in diesem Land nicht auffallen würde. Da wird einem das Machtgefälle zwischen reichen und armen Staaten einmal mehr bewusst.

DIE FURCHE: Kann auch unser Hausmüll giftig werden?

Bursch: Natürlich können auch hier Fäulnisgase entstehen. Diese werden in der Regel auf Mülldeponien verbrannt. Ich halte es da ganz mit Paracelsus, der gemeint hat, alles sei giftig. Auf die Dosis kommt es an, immer. Sie können sich auch mit Wasser umbringen, wenn sie zu viel und zu schnell auf einmal trinken.

* Das Gespräch führte Nadja Kwapil

* Professor Wilfried Bursch ist Toxikologe an der Medizinischen Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung