„Müssen Arbeit junger Leute wieder schätzen“

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Die EU-Abgeordnete Evelyn Regner macht sich für eine arbeitsrechtliche Absicherung von Praktikanten und gegen unentgeltliche Praktika stark.

Die Unkultur, junge Leute auszubeuten, müsse ein Ende haben, sagt die SPÖ-Europaabgeordnete und Gewerkschafterin Evelyn Regner.

Die Furche: Frau Regner, was bewog einige EU-Parlamentarier zur Resolution, Praktika arbeitsrechtlich abzusichern und unentgeltliche Praktika zu verbieten?

Evelyn Regner: Der Auslöser ist die Situation am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist bei den unter 25-Jährigen doppelt so hoch wie bei der übrigen Bevölkerung. Arbeitslosigkeit tut immer weh, aber wenn junge Leute davon betroffen sind, die nach langer Ausbildung ins Berufsleben treten wollen und den Eindruck bekommen, keiner wartet auf mich, dann hinterlässt das tiefe Narben, wie das im aktuellen Bericht der dänischen grünen Abgeordneten Emilie Turunen formuliert wurde.

Die Furche: Durch die hohe Jugendarbeitslosigkeit wird also der Druck erhöht, Praktika zu machen und diese oft unter schlechten Bedingungen?

Regner: Ja, der Druck auf junge Leute ist enorm, wenn ihnen bei Antritt eines Praktikums unterschwellig gesagt wird: Das ist deine Chance. Da sind viele junge Menschen bereit, Praktika unterhalb arbeitsrechtlicher Normen anzutreten.

Die Furche: Was ist nun das Ziel der Resolution im EU-Parlament?

Regner: Wir bemühen uns, dem doppelt einen Riegel vorzuschieben. Erstens, indem wir in Europa die Arbeitskraft junger Menschen wieder besonders zu schätzen lernen. Zweitens wollen wir auch Druck von den jungen Menschen wegnehmen. Sie sollen bei Praktika auf arbeitsrechtliche Mindeststandards pochen können.

Die Furche: Welche Mindeststandards?

Regner: Praktikanten sollen voll sozialversichert sein, nicht nur krankenversichert. Praktikanten sollen auch Leistungen bringen, was diese ja wollen. Dafür sollen sie auch adäquat nach Kollektivverträgen oder nach Mindeststandards, die in den Kollektivverträgen festgelegt sind, bezahlt werden. Ich denke hier an das Beispiel des Gerichtsjahres, das es in Österreich gibt. Wenn das österreichische Arbeitsrecht hier voll angewendet werden würde, dann hätten wir keine Probleme. Aber zwischen Arbeitsrecht und Unternehmungskulturen, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, besteht ein Missverhältnis. Firmen sagen etwa, jemand sei nur Volontär, für den man nur ein Taschengeld bezahlen muss. In Wirklichkeit leisten Praktikanten nicht selten so viel, wie jemand, der im Dienstverhältnis steht. Ein Praktikum bedeutet einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten.

Die Furche: Das betrifft ja auch große Organisationen, wie die EU, die viele Praktikanten aufnimmt.

Regner: Hier müssen Defizite ausgeräumt werden. Daher unsere Initiative. Es muss diese Unkultur beendet werden, dass man junge Menschen ausbeutet, indem man ihnen sagt: Wenn ihr überdurchschnittliche unentgeltliche Arbeit leistet, habt ihr eine Chance auf ein Arbeitsverhältnis. Ein Beispiel für diese Unkultur ist auch die Medienaktion von Vizekanzler Josef Pröll, der einen Superpraktikanten gesucht hat. Für mich zeigte das letztlich einen gewissen Zynismus im Umgang mit jungen Leuten und deren Ausbildung.

Die Furche: Besteht nicht die Gefahr, dass dann, wenn es mehr Regelungen gibt, Unternehmen weniger gern Praktikanten aufnehmen wollen?

Regner: Ja, deshalb ist es so wichtig, das System des Volontariats zu haben, das bedeutet aber entsprechend weniger Leistungen.

Die Furche: Wie geht es nun weiter?

Regner: Der Ball ist jetzt bei der Kommission, diese Idee aufzugreifen. Der Ball liegt aber auch bei der Öffentlichkeit, hier stärker Druck zu machen. Ich höre in Österreich oft: Wir haben ohnehin ein schönes Arbeitsrecht. Aber was nutzt das, wenn mit solchen Ideen wie dem Superpraktikanten das Gegenteil bewirkt wird, dass nämlich junge Leute signalisiert bekommen: Stellt eure Arbeitskraft gratis zur Verfügung. Wir müssen dazu einen Gegenoffensive starten und sagen: Die Arbeit von jungen Menschen ist sehr viel wert.

* Das Gespräch führte Regine Bogensberger

E. Regner

Die Juristin ist seit 2009 Europaabgeordnete und stellvertretende Leiterin der SPÖ-Delegation. Sie ist Mitglied im Rechtsausschuss. Zuvor war sie im sozialpolitischen Referat des ÖGB tätig.

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