Nach der Krise ist einiges neu zu definieren

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Mitten in den Nachbeben der Finanzmarktkrise mehren sich Publikationen zu Fragen der Wirtschaftsethik. Wie kann die Veranlagung von Geld- und Sachvermögen so gestaltet werden, dass sie moralisch verantwortbar ist und den Grundsätzen der Nachhaltigkeit entspricht – und was können Banken und Fondsmanager dazu tun, um der steigenden Nachfrage nach dieser Art von Geldverwaltung gerecht zu werden?

Dem Juristen und Bankpraktiker Johannes Krall ist dazu ein außergewöhnlich informatives Werk gelungen. Obwohl sachlich naheliegend, wählt er den doch ungewöhnlichen Ansatz, bei den Grundsätzen des Umgangs mit kirchlichem Vermögen anzusetzen. Vom Zehent – einer Art kirchlicher „flat tax“ – bis zu den aktuellen Rechtsfragen kirchlicher Stiftungen breitet er im ersten Drittel seines Buches Wissenswertes über die Gebarung von Kirchen und Ordensgemeinschaften aus.

Von dort aus spannt er den Bogen zu einer umfassenden Übersicht der aktuellen wirtschaftsethischen Diskussionslinien. Diese haben sich wohl nicht zufällig während jener Jahre aufgebaut, in denen das Finanzsystem in seiner einseitigen Orientierung am wert-freien (und daher am Ende wert-losen) „Shareholder Value“ krisenhaft hypertrophierte und seinem spätestens mit der Lehmann-Pleite im September 2008 unvermeidbaren Zusammenbruch entgegensteuerte.

Ethische Ansprüche in der Vermögensveranlagung

Aus der eigenen Praxis im „Asset Management“ einer großen österreichischen Bank entstehen realitätsnahe Schilderungen der konkreten Umsetzung ethischer Ansprüche in der Vermögensveranlagung. Diese reichen weit über den bloßen Ausschluss von „unethischen“ Erwerbszweigen (Waffenhandel, nicht-nachhaltige Energieerzeugung, Glücksspiel) hin zu differenzierten Beurteilungssystemen auch der sozialen Qualität von Unternehmen.

Krall übersieht nicht die Grenzen derartiger Konzepte, die nicht selten in unerfüllbaren, rigiden Tugendkatalogen enden und mittlerweile einer ganzen Gilde von Beratern die Möglichkeit geben, ihre Rolle als Sittenwächter der Finanzwirtschaft zu gutem Geld zu machen. Er ist sich bewusst, dass nach der Finanzmarktkrise wohl neu zu definieren sein wird, was wir unter „nachhaltiger“ Veranlagung verstehen. Denn was hilft uns verantwortliches Handeln, was hilft Investition in noch so sorgfältig ausgewählte Finanztitel untadeliger Branchen, wenn das System als solches vom Scheitern bedroht ist?

Wirklicher Wertzuwachs ist doch nur zu erzielen, wenn sich die Finanzwirtschaft wieder auf ihre Kernaufgaben für die Realwirtschaft konzentriert und gleichzeitig durch neue Regulative dazu gezwungen wird, sich von spekulativen Geschäftsfeldern zurückzuziehen.

Die Aktualität des Buches wiegt den Nachteil auf, dass es sprachlich und im fußnotenreichen Aufbau den publizistisch mitunter hemmenden Gesetzen akademischer Arbeiten folgt.

Kirchenvermögen – Nachhaltigkeit – Wirtschaftsethik

Von J. Krall, A. Schwarz, R. Müller, und K. Gollegger

Verlag Peter Lang, Frankfurt 2009

267 S., geb., e 57,80

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