"Nachher ist man immer g'scheiter"

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Während die Polizei für ihr Umdenken in Sachen familiärer Gewalt gelobt wird, ernten die Richter und Richterinnen Kritik.

Ein prügelnder Gatte, eine hysterische Ehefrau - und vier Machos in Polizei-Uniform, die den "Streit" lieber gleich vor Ort schlichten: So viel zum Klischee, das vor nicht allzu langer Zeit den realen Verhältnissen eines Polizeieinsatzes verdächtig nahe kam. Mittlerweile ist die Bewusstseinsbildung innerhalb der Polizei gegenüber Gewalt in der Familie jedoch erheblich fortgeschritten. Seit 1990 werden etwa im Rahmen der Grundausbildung der Exekutivbeamten zweitägige, verpflichtende Schulungen über die psychologischen Hintergründe und angemessenen Vorgangsweisen bei familiärer Gewalt angeboten. Im Zuge der Weiterbildung können die Polizistinnen und Polizisten zusätzliche Kurse wählen. "Alle diese Schulungen werden gemeinsam mit Expertinnen aus den Frauenhäusern oder von den Interventionsstellen durchgeführt", erzählt Bernhard Stiedry, stellvertretender Stadtpolizeikommandant von Wien/Margareten. Zudem würde versucht, verstärkt weibliche Bedienstete - in Wien derzeit 11,7 Prozent - einzusetzen.

Die Praxis vor Ort birgt dennoch jede Menge Herausforderungen. "Auf Grund der Emotionen von Seiten des Paares ist immer ein Gefahrenmoment vorhanden", weiß Stiedry. "Wir haben schon Fälle gehabt, wo ein Mann lächelnd das Haus verlassen und dann die Kollegen attackiert hat." Alkohol sei ein großes Problem. Bei Vorfällen in Familien mit Migrationshintergrund - in Wien/Margareten mehr als die Hälfte der Fälle - würden die Polizeibeamten auch auf Verständigungsprobleme stoßen. "Bis ein Dolmetscher kommt, hat der Täter oft schon eine halbe Stunde auf das Opfer eingeredet", klagt Stiedry.

Insgesamt wird der Polizei jedoch zugebilligt, auf diesem Feld lernfähig gewesen zu sein (siehe Interview). Anders die Meinung gegenüber der Justiz: Nicht zuletzt der Fall der 37-jährigen Cordula K. aus Wien/Simmering, deren Antrag auf Einstweilige Verfügung abgelehnt worden war und die später von ihrem Lebensgefährten erstochen wurde, bestärkt die Kritiker. "Natürlich kann sich jede Entscheidung eines Richters nachträglich als falsch herausstellen", meint Reinhard Kreuzer, langjähriger Familienrichter am Bezirksgericht Floridsdorf, der auch das "reichhaltige Schulungs-Angebot" für Richter betont. "Aber nachher ist man eben immer g'scheiter." DH

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