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Ein politisches Talent der Sonderklasse, eine Ausnahmeerscheinung unter den vielen grauen Existenzen in der „Republik der Sekretäre“ (der frühere Standard-Journalist Samo Kobenter), der „Ohne-die-Partei-bin-ich-nichts“-Funktionäre in allen Lagern: Das war – wie ihm immer wieder und anlässlich seines Unfalltodes ultimativ auch von seinen Gegnern bescheinigt wurde – Jörg Haider ohne Zweifel.

Was hätte einer wie er für dieses Land tun können? Dieses Land und seine Leute, die er stets demonstrativ in den Mittelpunkt seiner Kampagnen gestellt hat: „… für euch …“, „… nicht belogen …“, „… deinetwegen …“?

Der Umgang mit der NS-Zeit

Er hätte sich zunächst einmal hinstellen können und Worte sagen wie: „Wir wissen, dass es heute leicht ist, über die Kriegsgeneration ein Urteil zu fällen. Mit Viktor Frankl dürfen wir hingegen immer wieder daran erinnern, dass man Heroismus nur von sich selbst, aber von niemandem sonst verlangen sollte. Wir wissen auch, dass es ungerecht ist, die NS-Barbarei als etwas anzusehen, was gewissermaßen nur in Deutschland und Österreich entstehen konnte: Denn jedes geschichtliche Ereignis hat seine Vorgeschichte, resultiert aus komplexen Entwicklungen, die sich wiederum aus vorgängigen Geschehnissen und Verkettungen herleiten lassen. Es gibt keine Kollektivschuld und es gibt nicht per se Täter- und Opfervölker. Das darf aber nicht dazu führen, die damaligen furchtbaren Verbrechen in irgendeiner Weise zu verharmlosen oder zu relativieren. Und es verbietet sich – gerade angesichts dieser unserer Geschichte – jeder augenzwinkernde Umgang mit dieser Zeit, jedes politische Kalkül mit Versatzstücken dieser verbrecherisch-wahnhaften Ideologie.“

So ähnlich hätte Haider reden können, im Kärntner Landtag, am Ulrichsberg und natürlich auch in Wien. Er, der aus nazistischem Elternhaus Stammende, hätte sich damit nicht nur Respekt erworben – es wäre gerade aus seinem Munde ein nicht gering zu veranschlagender Beitrag zur Polithygiene dieses Landes gewesen. Und er hätte wohl auch jenen, denen er Respekt und Achtung erweisen wollte, mehr geholfen als durch wiederholte Anbiederung.

Sozial- und Europapolitik

Jörg Haider, der als Erster und lange auch als Einziger die strukturellen Schwächen der sozialpartnerschaftlich verfassten Zweiten Republik erkannt und unnachgiebig den Finger auf deren Wunden gelegt hat– er hätte es nicht dabei bewenden lassen dürfen, jene, die sich im Speck dieses Systems eingenistet hatten, vorzuführen. Das „Taferl“ mit den sagenhaft-unsäglichen Bezügen des steirischen AK-Präsidenten Rechberger hat Stimmung und Stimmen gebracht – doch die hätte es gegolten, auf den Boden zu bringen, sie hätten nach mit den Mühen der Ebene verbundener politischer Fortführung verlangt. Dazu wäre es freilich nötig gewesen, sich Verbündete in anderen Gruppierungen und Institutionen zu suchen, anstatt sich zum Local Hero wider „das System an sich“ zu stilisieren. Auf dieser Basis hätte Haider mit seiner intellektuellen Schärfe wohl auch einen wesentlichen Beitrag zu sozialen und ordnungspolitischen Fragen – jenseits von Besitzstandswahrung und Staatsverteufelung, aber auch frei von feudalen Allüren – leisten können.

Ebenso früh hat Jörg Haider die Bedeutung der Einbindung Österreichs in westlich-europäische Polit- und Sicherheitsstrukturen erkannt. Gibt es einen, der glaubwürdiger den Österreichern die Vorteile von EU-Mitgliedschaft und NATO-Anbindung erklären und all die liebgewordenen Missverständnisse zum Thema „Neutralität“ aufklären hätte können?

Hätte er? Hätte Haider solcherart aus der FPÖ so etwas wie eine rechtsliberale Kraft zu formen vermocht? Er hat es jedenfalls nicht – zum Nachteil des Landes.

„Gerade Haider mit seiner Herkunft aus nazistischem Elternhaus hätte einen wesentlichen Beitrag zur historischen Hygiene leisten können. “

„Haider hätte es nicht dabei bewenden lassen dürfen, jene vorzuführen, die sich im Speck des Systems eingenistet hatten. “

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