Nachsitzen für Arbeitslose

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Die Bombe detonierte mitten in der Regierungsklausur. 1998 weist nicht nur höhere Arbeitslosenzahlen auf als 1997, sondern ist auf einen Jahrzehnte nicht erreichten Rekordwert angestiegen: für die Politik zunächst einmal Anlaß genug, sich auf die Suche nach Schuldigen zu begeben.

Das Arbeitsmarktservice, bei dem man "Erklärungsbedarf" ortete, spielte den Schwarzen Peter aber schnell zurück. Nicht unzureichende Vermittlungsleistung sei die Hauptursache, sondern man habe politische Maßnahmen gesetzt, die automatisch ein zahlenmäßiges Ansteigen der Arbeitslosigkeit bedingen: Änderungen bei Sonderunterstützung, Notstandshilfe, Kürzung des Karenzurlaubs, Verminderung von Frühpensionen etc.

Mit anderen Worten: ein Stück "versteckte Arbeitslosigkeit" war damit zutage getreten, worauf in der Regierungsklausur offensichtlich einmütig beschlossen wurde, sie wieder unter den Teppich zu kehren. Eines der Kernstücke der neuen Beschäftigungsoffensive sind (mehr oder weniger verpflichtende) Schulungsmaßnahmen für Arbeitslose beziehungsweise ihr Einsatz in gemeinnützigen Projekten. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, wenn damit eine Anpassungs- und Integrationshilfe in veränderte wirtschaftliche Strukturen verbunden ist. Aber: wer weiß denn nun wirklich genau, welche Qualifikationen in welchen Sparten und Regionen wirklich so gefragt sind, daß der dann (um-)geschulte Arbeitnehmer tatsächlich eine Chance hat - weil es offene Stellen gibt oder Arbeitsplätze geschaffen werden? Und der Einsatz von Arbeitslosen im Gemeinwesenbereich entlastet vielleicht den Staatssäckel oder wirkt hinsichtlich der psychosozialen Wiedereingliederungsfähigkeit von Problemgruppen und Langzeitarbeitslosen positiv. Reguläre, marktadäquate Dauerarbeitsplätze entstehen so sicher nicht, ebensowenig wie durch Ausbildungsstrategien.

Aber bei den Arbeitslosen, die nun zurück auf die Schulbank oder in ein Quasi-Praktikum gescheucht werden, entsteht der Eindruck, sie seien an der Malaise schuld und müßten nun nachsitzen und strafarbeiten. Vor allem, um die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren respektive die Statistik nicht zu belasten ...

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