Nachvollziehbare Sinnmache

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Die Vielfalt täuscht. Die Macher und die Medien täuschen. In Wirklichkeit schrumpft unsere sprachliche Verständigung auf das Repertoire einer Zeit, die im Bilde ist wenn ihr der Einheitsbrei der Kommunikation aus Fertiggerichten aufgekocht wird. Wie sollte es auch anders sein? Weder Sender noch Empfänger von Botschaften können die Informationsflut ohne aufgeblasene Rettungsringe durchschwimmen.

Sage keiner sie gingen nicht in die Tiefe! In den Bergwerkschacht tauchen sie. Wo einst die Knappen im Stollen werkten, nämlich "vor Ort", da befinden sich jetzt Politiker und Experten, wenn sie sich etwas näher ansehen. Schon am Schreibtisch sind sie "vor Ort", am harten Arbeitsplatz der Gewinnung ihres Gesteins.

"Unter Beweis gestellt" haben vordem Juristen in der Definition ihrer Fachsprache etwas, wofür Akten und Zeugen eindeutig herangezogen waren. Was steht hingegen heutzutage alles "unter Beweis"! In der Regel alles, was einer behauptet und wovon er subjektiv überzeugt zu sein glaubt.

"Ich bin der Meinung", signalisierte einst Bruno Kreisky, zwar seinen Standpunkt vertretend, aber gleichzeitig seine persönliche Subjektivität eingestehend. Heutzutage gehen sie schon "davon aus", machen ihren Standpunkt zum Apriori und "denken", statt zu meinen. Der Absolutheitsanspruch wird zum Argument - und wehe wenn da einer anders denkt!

Gerade dadurch, so denken sie, werde der Zusammenhang schon "nachvollziehbar" und, da wir uns bereits in der Nähe göttlicher Allmacht aufhalten, "macht es Sinn". Die Blumenkinder haben seinerzeit entmythologisierend die Liebe zur Machbarkeit herabgestuft. Wenn man Liebe "machen" kann, warum soll man nicht auch Sinn machen können? Warum soll "es", also irgendwas Behauptetes, nicht "Sinn machen"?

Die Schienenarbeiter der Bundesbahnen oder die Stellwerke haben wie die Bergleute und Juristen längst ihre Tätigkeits-Metapher abgeben müssen. "Die Weichen stellen" kann fast jeder, meistens werden wir dann "zur Kasse gebeten", denn was da "im Vorfeld" beschlossen wird, kommt nicht mehr "vom Tisch", außer es liegt noch länger "auf dem Prüfstand", ehe es zum "absoluten Muß" wird, zwar "umstritten", aber "unausweichlich".

Die jungen Wörter, deren Leiden einst Hans Weigel beklagte, leiden ja weniger als wir unter ihrem Gebrauch. Die Plünderung der Metaphern aller Berufsstände zur Verdickung des sprachlichen Fertigbreis ist schließlich die einzige Form, in der wir das alte Handwerk noch ehren.

Was soll's! Schon ist "grünes Licht" gegeben, unverzichtbar, konkret und erneut, die Absage ist erteilt, die Verhandlung geplatzt - und nur die selbsternannten Experten, die zum Höhenflug ansetzen, müssen das Ganze noch absegnen. Womit die "Weihe erteilt" und auch die Kirche von der sprachlichen Aufbauanleihe nicht ausgenommen ist.

Es war ja "vorprogrammiert" und "abzusehen", von "Schadensbegrenzung" keine Rede, die "Absichtserklärung" genügt bei größerem "Erklärungsbedarf". "Reformstau" wurde zum Wort des Jahres, kein Wunder bei dieser "Rückmeldung".

Das Amtliche, Politische, Bürokratische, mitunter Wirtschaftliche tönt assoziativ durch das neue Metaphern-Meer. Wäre ja EU-gemäß, wenn da nicht schon vor der NATO auch noch das Militärische durchschlüge! Der Bombentreffer und der Schuß sind, von Ausnahmen abgesehen, dem Sport vorbehalten, aber "zielgenau" und "im Visier" ist allerlei. Und der Papst, gewiß erfreut über den Zulauf, hielt angeblich "Heerschau" über eine Schar, deren alte Kirchenlieder leider auch nicht frei von militärischen Floskeln waren.

Sprache ist Leben. Das Leben auf unserem Planeten ist nicht gekennzeichnet von Vielfalt in ihrer Evolution, sondern durch die Bedrohung und das Aussterben von Arten. An die Stelle der Vielfalt tritt die höhere Aggression der Überlebenden und die Künstlichkeit der Ersatzstoffe. Sprach-Milupa statt Muttermilch und Muttersprache!

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