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Neid als Motor der Wirtschaft kann zu Höchstleistungen anspornen. Oder alles zerstören. - Erkenntnisse nach dem Innsbrucker Kongress über Leidenschaften in Politik, Wirtschaft, Medien.

Pünktlich zum Juli-Beginn hat er seinen Auftritt: Pistaziengrün, cremig und süß. Längst zergeht er seinen Producern auf der Zunge, hat die Jury des Mediapreises in Cannes für Marketing-Leistungen zum Schmelzen gebracht und den Absatz angekurbelt: Der "Neid" wird garantiert ein Hit - genauso wie seine sechs anderen Geschwister aus der Eiskollektion "Die sieben Todsünden" von Magnum/ Unilever. Noch ist er umhüllt von feiner Milchschokolade, aber bald schon werden Münder und Zungen grün leuchten: Neid ist geil!

Auf dicke Geldbörse schielen

Auf jeden Fall ist er ein Antriebsmotor der Wirtschaft. Ohne Neid - ohne dieses hässliche Gefühl in der Magengegend, dass der andere ein dickeres Auto und eine schickere Villa hat - ginge wirtschaftlich gar nichts. Schon im Kleinkinderzimmer tobt der Kampf um das neue Feuerwehrauto, setzt sich später am Arbeitsplatz in erhöhter Leistungsbereitschaft und im Buhlen um den Lohn dafür fort: Die beiden britischen Ökonomen Andrew Clark und Andrew Oswald haben 1998 gezeigt, dass die Zufriedenheit von Arbeitnehmern mit ihrem Arbeitsplatz signifikant sinkt, wenn das Einkommen von anderen Arbeitnehmern, mit denen sie sich vergleichen, steigt. Es ist also nicht nur die eigene dünne Geldbörse, die zählt. Es ist vor allem die dickere Geldbörse der anderen. Umgekehrt betrachtet: Je dicker meine Geldbörse ist, desto größer das Gefühl der Überlegenheit. So paradox es klingen mag für zwei Geschwister, die so eng Hand in Hand gehen: "Neid ist eine Aversion gegen Ungleichheit, Statusgefühl ist die Präferenz der Ungleichheit", sagt Simon Gächter, Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen.

Es gibt sogar empirische Nachweise für die Existenz von Neid- und Statusgefühlen: Neurophysiologische Experimente von McGuire an Affen und Menschen zeigen, dass Statusvorteile mit höheren Blutkonzentrationen des Neurotransmitters Serotonin einhergehen. Serotonin ist wichtig für den menschlichen und tierischen Organismus. Ein Mangel an Serotonin führt zu Gefühls- und Schlafstörungen, zu leichter Irritierbarkeit und erhöhter Aggressivität. In Experimenten mit Affen konnte sogar nachgewiesen werden, dass höhere Serotoninwerte Folge von Statusvorteilen sind. Entfernt man die Tiere mit höherem Status aus der Gruppe, sinken ihre Serotoninwerte. Dafür steigen sie bei den Tieren, welche die freigewordenen Ränge einnehmen. Erfolg macht also tatsächlich sexy - zumindest bei Affen.

Für Adam Smith (1723-90), Vater der Volkswirtschaftslehre, war Neid der hochwillkommene Stachel im Fleisch des Menschen beim Wetteifer nach mehr Wohlstand, der letztlich allen zugute kommen sollte. Doch der kühle Ökonom hatte seine Rechnung ohne die Leidenschaft gemacht: Er hatte auf die Stabilität einer hierarchischen Gesellschaft vertraut, in der jeder - arm oder reich - seinen festen Platz hatte und in der es außerdem nur wenige wirklich Reiche gab. Doch in dem Moment, in dem der Wohlstand aller anstieg, explodierte der Neid erst recht. Je gleicher und reicher alle werden desto neidischer werden sie auch.

Macht Freiheit unersättlich?

So ist die Ordnung von Smiths frühkapitalistischem Denkgebäude längst eingestürzt und hat dem Wettlauf jeder gegen jeden Platz gemacht. Mit seinem geflügelten Wort "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" ist deshalb der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) der Vordenker unserer Zeit, nicht Adam Smith. So jedenfalls urteilt der christliche Sozialethiker Wolfgang Palaver von der Universität Innsbruck. Hobbes habe viel klarer als Smith erkannt, dass das unersättliche Verlangen nach Anerkennung in einer Welt der Freiheit und Gleichheit noch mehr angestachelt werde als in einer Welt der Ungleichheit mit ihren fixen sozialen und ökonomischen Rangordnungen. In einer Welt der Gleichheit führen schon geringe Differenzen zu gefährlichen Konfliktpotenzialen. Neid hält die Gewaltspirale in Gang.

Instinktiv scheinen das auch die Unilever-Werbemanager zu wissen. Zeitgleich mit dem pistaziengrünen Neid-Eis-am-Stiel hat das weiß-dunkelrote Magnum-Waldfruchtsoßen-Eis in Zartbitterschokolade seinen Marktauftritt. Und sein Name? Rache.

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