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Sie sind jetzt unterwegs: die Soldaten, die Mörder, die Beschützer, die Vergewaltiger, die Befreiungskämpfer. Die Journalisten. Die Politiker. Die Frauen. Die Kinder. Die Männer. Die Minenopfer. Die Überlebenden. Die Lagerinsassen. Zurück! Nie wieder Krieg in Europa, ja! Schutzsoldat, ja! Und dann: Leichtenteile ...! Bestien! Sie mußten auch mutmaßliche Mörderbestien eskortieren, damit diesicher nach Hause kommen.

Geht es jetzt vielleicht darum, noch einmal der Welt zu zeigen: Seht her - so brutal ist hier vorgegangen worden, da waren die Nato-Bomben wohl sehr gerechtfertigt?!

Ist das jetzt wichtig, daß uns die Journalisten erzählen, welche Grausamkeiten passiert sind? Wir haben es doch von den Flüchtlingen gehört! Und wir haben gewußt, daß sie die Wahrheit berichten. Deshalb sind wir doch so erleichtert, daß dieser ganze Alptraum zu Ende ist.

Aber jetzt darf es auch keine serbischen Opfer mehr geben! Und es ist doch wohl klar, daß das die antiserbische Stimmung gefährlich aufheizt, wenn nun die Schlagzeilen nur noch von den Massakern künden.

Es ist verständlich - so liest man ständig - es ist verständlich, daß Rache geübt wird von den Albanern. Vielleicht sagt sich das aber nur so, weil man sich gar nichts anderes vorstellen kann, was jetzt als Reaktion auf all das Massakrieren kommen soll? Aber warum ist die Betroffenheit über die menschlichen Opfer nicht so groß, daß Europa einen Gedenktag für alle Opfer einlegt, eine Kosovo-Trauerfeier, eine ökumenische Gedenkfeier, eine Mahnwache, jetzt - während die Familien ihre Toten beweinen? Das wäre eine Form der Solidarität, die den Trauernden und Leidenden Opfern vielleicht mehr hilft, als die akribische Registrierung ihrer Leiden.

Erinnern wir uns doch an die weltweite Solidarität über den TV-Schirm beim Begräbnis von Diana oder Kennedy jr. Wie wäre das für die Kosovaren und für die Serben, wenn sie erleben würden, daß weltweit um all die Opfer getrauert wird, daß wichtige Persönlichkeiten vor Ort zur Versöhnung aufrufen, daß die Toten geehrt werden, daß die Zukunft mit Ehre beginnt?

Es geht doch nicht an, daß wegen der Bestandsaufnahme von Verbrechen die Opfer nochmals drangsaliert werden - auch die journalistische Aufbereitung der Greueltaten hilft nicht nur den Opfern nicht, sondern kann auch die Nachrichtenempfänger traumatisieren. Wer von uns weiß genau, was in den Köpfen jener vor sich geht, die mit den Bildern konfrontiert sind?

Ist es nicht auffällig, daß Kosovo-Albaner von den Ereignissen berichten, und dann noch betonen, das, was sie erlebt hätten, sei schrecklicher gewesen, als alles, was sie je im Fernsehen gesehen hätten, oder im Kino. Es gibt diese Grausamkeiten immer noch - in Sierra Leone zum Beispiel. Es gibt die Söldner noch, die nichts anderes mehr können, als massakrieren, von Einsatz zu Einsatz ... Und wir wissen, daß Drogen dabei eine Rolle spielen.

Es wäre gut, wenn sich jemand der perversen Schlächter annehmen würde, wenn den zurückkehrenden Soldaten jemand helfen würde, ihre Schuld zu erkennen. Diese Männer haben ja alle eine Familie, ein Umfeld, in das sie jetzt ihre schreckliche Schuld hineintragen ...

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