Neun Monate unter Verdacht

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Der routinemäßige Einsatz von Pränataldiagnostik soll mehr Sicherheit bringen - und führt oft zu noch mehr Verunsicherung.

Ein zweiter Streifen am Schwangerschaftstest, eine winzige Fruchtblase im Ultraschall: Kein Zweifel - ein Kind ist unterwegs. Doch kaum haben Frauen ihre "gute Hoffnung" verdaut, steht ihnen schon eine Test-Kaskade ins Haus: die Messung der Nackentransparenz, um die Wahrscheinlichkeit eines Down-Syndroms zu erahnen; beim Verdachtsfall eine Punktion des Mutterkuchens oder des Fruchtwassers, um Chromosomenfehler auszuschließen; und schließlich ein Organscreening, um festzustellen, ob Gehirn, Gesicht, Wirbelsäule, Brustkorb, Bauchorgane, Nieren, Blase und Skelett so beschaffen sind, wie es sich für die 20. Woche gehört. "Die wenigsten Frauen wissen dabei, dass diese Untersuchungen kein automatischer Bestandteil der Schwangerenvorsorge sind", klagt Edeltraud Voill, Psychologin und Leiterin des Wiener Vereins Nanaya (Zentrum für Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Kindern). Erst recht nicht wüssten die Frauen, wie sie mit bedenklichen Befunden umgehen sollten.

Um mehr Bewusstsein für die Folgen pränataler Diagnostik zu schaffen, wurde vor zwei Jahren der Arbeitskreis "Plattform Pränataldiagnostik" gegründet. Vergangenes Wochenende lud man schließlich zum ersten österreichischen Vernetzungstreffen ein. "Uns geht es darum, das Spannungsfeld aufzuzeigen, in dem sich die Schwangeren und Paare, aber auch die Ärztinnen und Ärzte durch den routinemäßigen Einsatz der Pränataldiagnostik befinden", erzählt Voill, die neben anderen Expertinnen beim Netzwerktreffen referierte.

Für eine Zunahme der Spannungen hat nicht zuletzt jenes OGH-Urteil gesorgt, in dem ein Salzburger Gynäkologe zu einer Schadenersatzzahlung für die gesamten Lebenskosten eines Mädchens mit Down-Syndrom verurteilt worden war, weil er ihre Mutter nicht ausreichend informiert hätte. Der Satz "Sie gehen mir jetzt in die Risikoambulanz" (den die Frau erst befolgte, als es für einen Abbruch zu spät war) hatte den Richtern nicht als Aufklärung gereicht.

Auch wenn es mittlerweile zu einem Vergleich zwischen der Mutter und dem Mediziner gekommen ist: Nach Ansicht vieler Ärzte bedeutet das OGH-Urteil eine Perversion des medizinischen Auftrags. Aus Sorge, dass bei den Schwangeren-Vorsorgeuntersuchungen etwas übersehen werden und eine Patientin später klagen könnte, würden Pränatal-Kompetenzzentren mit Zuweisungen von Frauenärzten überschwemmt. "Auch wir haben eine Steigerung um 20 Prozent gespürt", bestätigt Horst Steiner, Leiter der Pränatalambulanz an der Salzburger Universitätsfrauenklinik. Dass nur die Ärzte gegen das Urteil auftreten, reicht Steiner freilich nicht. Vielmehr müssten sich auch die rund 80.000 schwangeren Frauen formieren. "Schließlich sind sie es, die das ausbaden müssen." DH

Infos unter www.nanaya.at

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