"Nicht alles dem Geld unterwerfen"

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Den Grund allen Übels in der Wirtschaft sieht der international renommierte Managementberater fredmund malik in der Amerikanisierung des Managements. Das fange bei der Ausbildung von Führungskräften an, kritisiert Malik im furche-Gespräch, und gehe bis zur Geldgetriebenheit, die vor zentralen Bestandteilen der Daseinsvorsorge nicht Halt mache.

Die Furche: Herr Professor Malik, Sie fordern eine 180-Grad-Wende des von den Irrlehren der globalen Finanzmärkte fehlgeleiteten Managements der Gegenwart hin zu einem "richtigen Management". Was ist so falsch am gegenwärtigen Management?

Fredmund Malik: Dass hier die falsche Richtung eingeschlagen wurde, resultiert aus der Meinung, Amerika habe eine starke Wirtschaft, weil es das beste Management habe. Das ist zwei Mal falsch, aber selbst wenn die amerikanische Wirtschaft stark wäre, ist das gewiss nicht wegen des Managements. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das amerikanisches Management nicht in unsere europäische Welt passt.

Die Furche: Vom Fließband bis zum Fastfood haben wir aber fast alles aus Amerika übernommen. Was passt Ihnen daran nicht?

Malik: Das fängt schon bei der Ausbildung von Führungskräften an, die in eine völlig falsche Richtung geht. Schauen Sie sich doch nur die mba-Programme an, die wie Pilze aus dem Boden schießen: "Master of Business Administration" - da stecken schon im Namen zwei Fehler drin. Erstens: Management darf sich nie auf Business allein beschränken, sondern man muss immer die gesamte Gesellschaft im Blick behalten. Und der zweite Fehler ist die Bezeichnung "Administration" - das ist das Letzte, was wir brauchen.

Die Furche: Und das Erste?

Malik: Jede Institution der Gesellschaft braucht Management oder sagen wir es auf Deutsch: Führung. Aber nicht in der falschen amerikanischen Vorstellung von "leadership" - damit drehen wir das Rad der Geschichte 50 und mehr Jahre zurück in eine Zeit, von der ich hoffte, dass sie überwunden ist.

Die Furche: Ihre Managementvorstellungen einmal umgesetzt - wie würde sich die Wirtschaft verändern?

Malik: Die Wirtschaft wäre erstens leistungsfähiger und zweitens menschlicher. Nicht weil die Manager als Menschen besser werden, darauf habe ich keinen Einfluss. Deswegen geht auch die aktuelle Moraldiskussion an den entscheidenden Fragen vorbei: Denn man braucht nicht die ganze abendländische Philosophie zu bemühen, um das Einkommen von Managern bestimmen zu können. Aber die Manager selber können ja nicht mehr erklären, was sie eigentlich tun und was die Wirtschaft für eine Funktion hat. Deswegen kommt es zur Entfremdung. Die Menschen begreifen nicht mehr, was in der Wirtschaft vor sich geht, emotionale Gräben werden aufgerissen, und es kommt zu einer neuen Wirtschaftsfeindlichkeit.

Die Furche: Wenn es die Manager schon nicht können, erklären Sie uns die Funktion der Wirtschaft.

Malik: Als Zweck eines jeden Unternehmens sehe ich zufriedene Kunden. Und Zufriedenheit kann in einer Marktwirtschaft nur heißen, dass sie das, was sie wollen, besser bei mir bekommen als bei jemandem anderen. Die Kunden sind ja nicht dumm. Das absolute Regulativ ist die Konkurrenzfähigkeit: Man muss einfach besser sein als die Konkurrenz, und heutzutage muss man auch besser sein als die chinesische und indische Konkurrenz. Das ist die absolut nicht manipulierbare Größe in der Wirtschaft, die die Logik des Wirtschaftens bestimmt - alles andere führt von dieser Logik weg.

Die Furche: Wie passt dann die soziale Verantwortung von Unternehmen zu dieser Logik?

Malik: Es ist nicht die Aufgabe von Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen. Das zu bedenken halte ich für sehr wichtig, sonst kommt die Wirtschaft in Schwierigkeiten. Dagegen wehren sich die Unternehmen zurecht, weil sie sehen, dass sie jeden Tag an Konkurrenzfähigkeit verlieren.

Die Furche: Und was ist mit den Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren?

Malik: Ich will ja nicht die Probleme derer unterschätzen, die arbeitslos sind, vor allem jener Menschen, die dem technologischen Wandel zum Opfer fallen. Gott sei Dank gibt es ja unsere Sozialsysteme, die wenigstens teilweise noch funktionieren. Nicht wahnsinnig gut, aber immerhin. Diese Versorgung definiert die Gesellschaft, den Staat. Dafür haben wir Steuern und Sozialabgaben.

Die Furche: Wir zahlen auch Steuern für die öffentliche Grundversorgung: Wasser, Strom, Gesundheit, Bildung ... Trotzdem wird in diesen Bereichen mehr und mehr privatisiert.

Malik: Man kann sie ja auch teilweise privatisieren, und ich denke, dass es diesen Firmen gut tut. Aber man darf dabei den öffentlichen Auftrag der Daseinsvorsorge nicht völlig aus den Augen verlieren.

Die Furche: Wie weit muss diese staatliche Daseinsvorsorge gewährleistet bleiben?

Malik: Ich bin nicht dafür, dass man alles dieser Geldgetriebenheit unterwirft. Es kann doch nicht sein, wie es der Neoliberalismus ja empfiehlt, dass sich auch Gefängnisse und Krankenhäuser rentieren müssen. Ich bin auch nicht dafür, dass Menschen, die in abgelegenen Bergtälern leben, keine Grundversorgung mehr haben. Wofür bezahle ich denn Steuern, wenn ich alles noch einmal bezahlen muss über Gebühren, Maut und so weiter? Diese geldgetriebenen Leute, die einer derart weitgehenden Privatisierung das Wort reden, zerstören die Grundsubstanz der Gesellschaft. Diese Dinge darf man nicht ausschließlich den Interessen privater Gruppierungen unterwerfen, denn diese Interessengruppierungen werden im Zweifel die Grundversorgung nicht leisten. Ich bin auch nicht dafür, dass sich die Armee rentieren muss oder die Polizei.

Die Furche: Also Dienst nach Vorschrift wie gehabt?

Malik: Nein. Aber etwas anderes können wir tun: diese Organisationen so führen, wie die besten Wirtschaftsunternehmen geführt sind.

Das Gespräch führten Claudia Feiertag und Wolfgang Machreich.

Vom Band-zum Managementleader

Dem Unternehmertum hat sich Fredmund Malik schon in seiner Jugend zugewandt - mit seiner Band: "Wir haben die Dornbirner Messehalle gemietet, um ein Konzert zu geben. Das hätte finanziell auch schief gehen können." Ist es aber nicht, und so ist er beim Management geblieben. Heute ist der Vorarlberger Inhaber des "Malik Management Zentrum St. Gallen" in der Schweiz. Derzeit engagiert er sich auch im Aufsichtsrat der öbb. Sein Herz hängt aber an der Wahlheimat Schweiz, von wo er gerne die innerösterreichischen Debatten verfolgt. Momentan zum Beispiel amüsiert ihn besonders der Streit um die zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten, den er schlicht als "Quatsch" bezeichnet. Und meint: "In der Schweiz ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Tafeln auf Italienisch geschrieben sind, wenn ich über den Gotthard oder San Bernardino fahre. Wer hat jemals ein Problem damit gehabt?"

Buchtipp:

MANAGEMENT

Das A und O des Handwerks

Von Fredmund Malik

Frankfurter Allgemeine Buch 2005

geb., 277 S., e 41,10

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