Nicht großziehen, sondern einfach wachsen lassen

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Sie kennt die Sorgen vieler Eltern durch ihre Tätigkeit als Erziehungsberaterin: die Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger, die nun das lesenswerte Buch „Wie Kinder wieder wachsen“ vorlegt. Ihr Resümee aus all den individuellen Geschichten ratloser Eltern: „Was sich uns dabei auch offenbart, sind Mängel in den Rahmenbedingungen, innerhalb derer Elternschaft gelebt werden muss“, schreibt die Autorin. Ihr Buch unterstützt die These, dass das Verhalten der Kinder die Verunsicherung, den Druck, die Orientierungslosigkeit der Erwachsenenwelt widerspiegelt. Sie erklärt die Herausforderungen der Erziehung an jenen Fragen, die Eltern am stärksten beschäftigen dürften: Wie viel Mutter braucht das Kind? Wie viel Medienkonsum vertragen unsere Kids? Wie umgehen, wenn sich die Eltern scheiden lassen oder wie soll die Schule von morgen aussehen?

Dazwischen zeichnet sie das Bild einer Gesellschaft, die kaum Zeit für Beziehungspflege erlaubt und gegenüber Kindern weniger wie Erwachsene denn wie „Partner“ auftritt (hier schließt sie sich der umstrittenen These von Michael Winterhoff in dessen Bestseller „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ an). Kinder würden sich nicht mehr als sicher geführt erleben. Ihre Analyse und Folgerungen sind nicht unbekannt: Die Bedürfnisse für ein psychisch und physisch gesundes Heranwachsen der Kinder müssten ernst genommen werden. Doch nicht, indem Eltern oder Lehrer Schuld für die Überforderung zugeschoben wird, sondern indem alle Teile der Gesellschaft zusammenwirken, damit Kinder wieder wachsen, anstatt durch die Unsicherheiten der Erwachsenen blockiert zu werden.

Der Schluss des Buches entwickelt einen Blick auf die globalen Zusammenhänge, in denen Erziehung heute passiert. Hier wird das Buch zu ausschweifend. Das überzeugende Plädoyer der Autorin: Das Heranwachsen der Kinder geht uns alle an, der Fingerzeig auf überforderte Eltern muss ein Ende haben. (bog)

Wie Kinder wieder wachsen

Von Martina Leibovici-Mühlberger. Ecowin 2010, 224 S., geb., Euro 19,95

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