Nicht so lustig wie bei "Taxi orange"

19451960198020002020

Freischaffende Taxler, Fahrradboten, Schauspieler und Journalisten haben vieles gemeinsam: Unsicheres Einkommen mit periodisch wiederkehrenden finanziellen Problemen, Angst vor Krankheit und Unvorhergesehenem. Der Sozialwissenschafter Konrad Hofer betätigte sich als "Wallraff" und untersuchte den Alltag der neuen Selbständigen.

19451960198020002020

Freischaffende Taxler, Fahrradboten, Schauspieler und Journalisten haben vieles gemeinsam: Unsicheres Einkommen mit periodisch wiederkehrenden finanziellen Problemen, Angst vor Krankheit und Unvorhergesehenem. Der Sozialwissenschafter Konrad Hofer betätigte sich als "Wallraff" und untersuchte den Alltag der neuen Selbständigen.

Werbung
Werbung
Werbung

So lohnt die Arbeit auch des Zettelverteilens, selbst wenn für einen Tag kaum 200 Schilling herausschauen. Auch Taxifahrern könnte man die Methode empfehlen, mit der man selbst Kunden, die ohne zu zahlen im Nebel der Nacht verschwinden, noch etwas abgewinnen kann. Wenn weder Geld noch Ansehen am Job stimmen: Dann schreibt man am besten ein Buch über die Erfahrungen als atypisch Beschäftigter.

Der Kärntner Konrad Hofer ist professioneller Verfasser von Erfahrungsberichten: Nach "Leiharbeit", "Arbeitsstrich", "Ausgeliefert" und "Pflegebedürftig", ist nun sein letztes Werk erschienen. "Arbeit ohne Schutz: Eine Analyse der Situation atypisch Beschäftigter."

"Nix is fix", lautet eine seiner Erkenntnisse im Leben als fingierter niedrig qualifizierter Atypischer, nach einem Tag Zettelverteilen und acht Monaten Taxifahren. Außer fix und fertig nachhause kommen, nach dem Zwölf-Stunden-Tag am Lenkrad, Stundenlohn schwankend zwischen 40 und 100 Schilling. Fix ist auch die Angst unter den "neuen Selbständigen", gleich welchen Qualifikationsgrades. Konrad Hofers Gesprächspartner, Taxler, Zettelverteiler, Journalisten, wissenschaftliche Mitarbeiter, alle haben die ihnen vorgelegten Gesprächstexte zum Buch so weit verändert, dass sie nicht mehr erkenntbar sind. Vor allem nicht für ihre Arbeitgeber, wer will es sich schon mit seiner Existenzgrundlage verscherzen?

Im Mittelpunkt von Hofers Studie steht die wachsende Zahl von Beschäftigten, die nicht dem klassischen Arbeitnehmer-Status zuzuordnen sind. Beziffert werden die sogenannten "neuen Selbständigen" mit rund 32.000 Personen. Eine Zahl, die allerdings nicht der Wirklichkeit entspricht, verwendet man, wie auch Hofer, die Bezeichnung "atypische Beschäftigung" als Oberbegriff für alle vom Normalarbeitsverhältnis abweichenden Formen. Dazu zählen: Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung, Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung, Arbeit auf Abruf, Scheinselbständigkeit. Auch KAPOVAZ, die kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit, und vieles andere mehr, gehören dazu.

Für seine Studie hat Konrad Hofer den Taxiführerschein gemacht und acht Monate hindurch Fahrgäste mit den unterschiedlichsten Verhaltensweisen durch Wien transportiert. "Bist blind?" liess er sich fragen, als er ein (unbeleuchtetes) Lokal übersah, er kratzte Hundstrümmerl von der Fussmatte im Fonds, steckte zwei Schilling Trinkgeld samt Beleidigung von Geschäftsleuten ein, die im Fonds des Taxis soeben Millionenverträge per Handy geschlossen hatten und erfuhr vieles über die Seitensprungproblematik alternder Männer, die es eilig hatten, zum Rendevouz zu kommen. "Die Angst der Wehrlosen hat mich die Studie hindurch begleitet," erzählt Hofer, wobei er hier ausdrücklich die Arbeitnehmer meint, die eigentlich keine sind, und nicht deren Kunden.

"Eine Familie kannst mit dem Taxi fahren nicht erhalten, glaub mir," riet einer, der 20 Jahre lang gefahren war, ehe er Chef einer Imbisstube wurde. "Wenn du schaust, wie niedrig du angemeldet bist, geht es jedem Maurer besser als dir."

Eine Notiz aus Hofers Arbeitstagebuch: "Innerhalb von elf Stunden Dienst 159 Stadtkilometer zurückgelegt, 14 Fuhren, davon elf Funkaufträge. Insgesamt ein Umsatz von 1.994 Schilling, abzüglich der Prozente für die Chefin, bleiben mit Trinkgeld 1.160 Schilling. Ein Stundenlohn von rund 90 Schilling brutto."

In der Vielfalt der Atypischen, von selbständigen Werbezettelverteilern, Fahrradboten, Artikelschreibern und wissenschaftlichen Mitarbeitern, die Konrad Hofer befragte, zeigt sich ein gemeinsamer Wunsch nach sozialer Absicherung. "Die ökologische Plünderung der modernen Industriegesellschaft ist längst durch die ökonomische Plünderung der sozialen und arbeitsrechtlichen Absicherung ergänzt worden," lautet der triste Schlussatz der Studie des Sozialwissenschafters.

"Arbeit ohne Schutz", Konrad Hofer, Neuerscheinung 2000, 224 Seiten, S 248,-. Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung