Niederösterreich schließt Versorgungslücke

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Kinder und Jugendliche, die ein psychisches Problem haben, sind in Österreich gezwungen, eine psychiatrische Klinik aufzusuchen - außer die Eltern bezahlen die Behandlung aus eigener Tasche. Diese gravierende Versorgungslücke wird ab nächstem Jahr zumindest in Niederösterreich geschlossen.

Erstmals gibt es dann in einem Bundesland flächendeckende psychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche auf Kassenkosten. Fünf Kinder- und Jugendpsychiater werden sich dann in ihren Ordinationen um psychisch kranke Kinder und Jugendliche kümmern. Der Bedarf ist enorm: Experten gehen von 30.000 beratungs- und behandlungswürdigen Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren alleine in Niederösterreich aus. Die Zahl an fünf Psychiatern entspricht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, die für eine Region der Größe von Niederösterreich so viele Ärzte vorsehen. Für ganz Österreich würde die Empfehlung 27 niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater nahelegen. Bislang gibt es in ganz Österreich keine kinder- und jugendpsychiatrische Basisversorgung außerhalb der Spitäler.

Die Hemmschwelle niedriger ansetzen

"Die meisten Eltern kommen bereits völlig erschöpft in unsere Ordination, weil das Bewusstsein für die Krankheit ihrer Kinder fehlt und sie den Krankheitsbeschwerden ihrer Kinder hilflos gegenüber stehen“, erzählt die Kinder- und Jugendpsychiaterin Sabine Fiala-Preinsperger. Die Bandbreite psychischer Störungsbilder im Kindes- und Jugendalter reicht von Ängsten über Aufmerksamkeitsdefizite, Ess- und Entwicklungsstörungen bis hin zu Psychosen und Depressionen. Sogar bei Säuglingen gebe es lebensbedrohliche Fütterungsverweigerung aufgrund psychischer Belastung, betont Fiala-Preinsperger. Wird nicht rechtzeitig eingegriffen, kann das für die betroffenen Kinder und Jugendlichen dramatische Folgen haben und chronische Erkrankungen nach sich ziehen. "Das auffällige Kind von heute ist in einigen Jahren der psychotische Erwachsene“, ergänzt Harald Schlögel, der als Vertreter der niederösterreichischen Ärztekammer die Vereinbarung mit der Gebietskrankenkasse ausverhandelt hat. Das sieht auch deren Direktor Gerhard Hutter so: "Das Geld, das wir dafür ausgeben, ist für die Zukunft gut investiert.“

In der Ordination werden die Kinder und Jugendlichen untersucht und ein individueller Behandlungsplan für sie erstellt. Viele Kinder brauchen neben der ärztlichen Behandlung noch zusätzliche Therapien. Die Kinder- und Jugendpsychiater koordinieren diese Therapien, sie halten Kontakt zu den Eltern, zur Schule oder zum Kindergarten. Im Bedarfsfall kommt es zur Vernetzung mit den Krankenhäusern und deren Ambulanzen. Fiala-Preinsperger unter streicht die Wichtigkeit von derartigen niederschwelligen Angeboten: "Eltern haben große Hemmungen, mit ihren Kindern auf eine psychiatrische Klinik zu gehen. Zu einem niedergelassenen Arzt zu gehen, sind die Leute hingegen eher gewohnt.“

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