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Der Teufelskreis von Armut und Umweltvernichtung kann nur durch nachhaltigere Produktions- und Konsumweisen durchbrochen werden. Vom 2. bis 4. September 2002 - zehn Jahre nach der UN-Konferenz von Rio - sollen deshalb Staats- und Regierungschefs beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg neue Weichenstellungen treffen. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, mit den Ressourcen so umzugehen, dass deren langfristiger Bestand gesichert bleibt. Es wird zum Test für ethisches Handeln im 21. Jahrhundert. Redaktionelle Gestaltung: Wolfgang Machreich

Broadway ist nicht für intellektuellen Tiefgang oder Analysen globaler Fragen bekannt. Das Musical "Urinetown" (der Titel spielt mit dem phonetischen Gleichklang von "You're in town") ist eine bemerkenswerte Ausnahme. Das Stück von Mark Hollmann und Greg Kotis handelt von einer Stadt, "die überall sein könnte". Nach einer schweren Dürre wurden private (wasserverschwendende) Toiletten verboten und der Betrieb öffentlicher Toiletten einer auf Profit ausgerichteten Firma übertragen, die mittels Marktmechanismen die hohe Nachfrage (nach regelmäßiger Toilettenbenützung) angesichts des geringen Angebots (von verfügbarem Spülwasser) managen soll. Die korrupte Stadtverwaltung steckt mit dem Toilettenbetreiber unter einer Decke und unterdrückt brutal die Armen der Stadt, für die die "legale" Toilettenbenutzung bald unerschwinglich wird. Aus einer Liebesbeziehung zwischen einem jungen Mann aus der Gruppe der Armen und der Tochter des Toilettenfirma-Betreibers entsteht eine Revolte. Das menschenverachtende Toilettenregime wird gestürzt, und eine neue Epoche der Geschwisterlichkeit beginnt, in der jeder und jede nach Herzenslust Wasser verbrauchen darf, was - wie man mit geringsten ökologischen Kenntnissen vermuten kann - erst recht zum fatalen Ende durch kollektives Verdursten führen muss ...

Jenseits des Theaters ...

Am Broadway erheitert das Tony-gekrönte "Urinetown" seit Monaten allabendlich das Publikum im ausverkauften Henry Miller Theater mit witzigem Dialog, flotter Musik und professioneller Show. Wieviele der lachenden Theaterbesucher den hohen Wahrheitsgehalt der Parabel erfassen, sei dahingestellt. Jenseits der Theatermauern braut sich allerdings längst ähnliches und schlimmeres Ungemach zusammen. Und die ethischen Implikationen nicht-nachhaltiger Handlungsweisen sind in der realen Welt genauso augenfällig wie im Broadway-Renner.

So weist der Dritte Global Environment Outlook (www.unep.org) nach, dass heute ein Drittel der Weltbevölkerung in Ländern lebt, die mittlerem bis hohem Wasser-Stress ausgesetzt sind. Rund 80 Länder haben um die Mitte der neunziger Jahre bereits Zeiten ernster Wasserknappheit erlebt. Rund 1,1 Milliarde Menschen haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,4 Milliarden Menschen verfügen über keine angemessene Abwässerentsorgung. Auch die Länder Europas verfügen lediglich über mittlere Wasserreserven.

Süßwasser wurde vom UNO-Generalsekretär als eine der fünf Prioritätsbereiche erklärt, in denen er Fortschritte der internationalen Kooperation im Rahmen des in Kürze anstehenden Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg als besonders dringlich erachtet. Die anderen vier Bereiche sind Energie, Landwirtschaft, Gesundheit und Biodiversität.

WASH-Kampagne gestartet

Unter dem vielsagenden Titel WASH hat eine internationale Nichtregierungsorganisation (Water Supply and Sanitation Collaborative Council, www.wsscc.org) eine Kampagne zur Beseitigung der weltweiten Wasser- und Abwässer-Misere gestartet. Mit knappen "Facts and Figures" versucht WASH (siehe Kasten auf der nächsten Seite) nachvollziehbar zu machen, warum die jetzige Situation nicht länger hingenommen werden kann. Abhilfe läge, so WASH, in realistischer Greifweite, wenn es nur den politischen Willen gäbe. In den Vorbereitungssitzungen für den Weltgipfel in Johannesburg ist allerdings noch kein Konsens darüber erreicht worden, dass nicht nur die Wasser- sondern auch die Abwasserfrage mit großer politischer Energie angegangen werden muss.

WASH führt daher seine Bewusstseinsbildungs- und Lobby-Arbeit fort und fordert alle interessierten Bürger und Bürgerinnen auf, sich über Wasserfragen zu informieren und als freiwillige MitarbeiterInnen die WASH-Kampagne in ihrem Einflussbereich zu unterstützen. Dazu gehörte auch Lobbyarbeit gegenüber den nationalen Stellen und im Bereich der Zivilgesellschaft zu leisten und dem Water Supply and Collaborative Council als Mitglied beizutreten. Der Tiroler Fotograf Markus Mitterer hat zehn Prozent des Verkauferlöses seines Wasserkalenders 2003 in den Dienst von WASH gestellt. (Mehr darüber auf der nächsten Seite)

Schlimmer als alle Kriege

Die Verbindung zwischen Wasser- und Abwassermanagement und Gesundheitswesen ist besonders offensichtlich. Rund 2,2 Millionen Menschen sterben jährlich in Entwicklungsländern an Krankheiten, die mit unsauberem Trinkwasser, ungenügenden Sanitäranlagen und unzureichender Hygiene in Zusammenhang stehen. In den letzten zehn Jahren sind mehr Kinder Durchfallserkrankungen erlegen, als Opfer in bewaffneten Konflikten seit dem Zweiten Weltkrieg zu beklagen waren. Sich mit Wasser und Seife die Hände zu waschen, kann Durchfallserkrankungen um ein Drittel reduzieren. Zur Bekämpfung von Durchfall, Tuberkulose und Malaria, die 20 Prozent der globalen Erkrankungen ausmachen, werden weniger als ein Prozent der öffentlichen und privaten Forschungsgelder aufgewandt.

Im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte der bekannte amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs eine Studie über die makroökonomische Bedeutung von Gesundheitsfragen durch. In der Einleitung dieser Studie schreibt Sachs: "Wir haben festgestellt, dass die Ausdehnung von wichtigen Gesundheitsdiensten auf die Armen der Welt, Millionen Leben retten, die Armut verringern, Wirtschaftswachstum ankurbeln und die globale Sicherheit fördern könnte." Die Ergebnisse der Studie erlauben es den internationalen Entscheidungsträgern nicht länger, Gesundheitsfragen als sozusagen sekundäre soziale Fragen einzustufen, mit denen man sich beschäftigt, wenn man die wichtigen wirtschaftlichen Probleme gelöst hat. Die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung ermöglicht vielmehr eine positive Beeinflussung vieler makroökonomischer Kerndaten und trägt somit zu dem wirtschaftlichen Fortschritt bei, ohne den nachhaltige Entwicklung unerreichbar bleiben wird.

Was aber gehen uns die geschilderten Wasser- und Abwassernöte hier in Österreich an? Negative Auswirkungen der Wasserknappheit in anderen Regionen betreffen uns über den Transmissionsriemen der globalen Gesundheitsprobleme (die nicht an Staatsgrenzen halt machen), über die Beeinträchtigung der globalen Umweltgüter (wie Welt-Klima) und über steigenden Migrationsdruck. Einen Beitrag zu leisten für die Verbesserung der Wasser- und Abwassersituation in anderen Regionen, wird damit zu einer Investition in unsere eigene Lebensqualität. Dass menschliche Not außerdem Solidarität fordert, die sich in der Unterstützung zielführender Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit und im persönlichen Engagement für konkrete Hilfsprogramme audrücken muss, brauche ich wohl nicht betonen. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob es nicht eine ethische Verpflichtung gibt, einen "nachhaltigeren" Lebensstil zu entwickeln, der die Auswüchse unserer extrem konsumorientierten Lebensweise in Richtung größerer sozialer Gerechtigkeit und Umweltverträglichkeit korrigiert. Davon mehr auf dieser und den folgenden Seiten dieses Dossiers.

Die Autorin gehört seit 1982 dem Diplomatischen Dienst an. Derzeit karenziert, leitet sie als Stv. Generaldirektorin der UNIDO für UN-Angelegenheiten deren Büro in New York.

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