Noch selten interessierte sich eine breite Öffentlichkeit so sehr für Notenbankpolitik wie nach Bekanntgabe des jüngsten Maßnahmenpaketes der EZB. Wer allzu stark im Gespräch ist, läuft allerdings auch Gefahr, ins Gerede zu kommen.
Während es Präsident Mario Draghi im Sommer 2012 noch gelungen war, als Notarzt des europäischen Finanzsystems den Patienten Euro mit unkonventionellen Therapien vor dem Kollaps zu bewahren, stieß die vor gut einem Jahr begonnene Politik des großvolumigen Ankaufs von Staatsanleihen von Beginn an auf viel Skepsis. Das in den USA unter anderen Voraussetzungen durchaus erfolgreiche "Quantitative Easing" rief in Europa keine vergleichbar positiven Wirkungen hervor. Kaum jemand will deshalb mehr glauben, dass die Senkung des Leitzinses auf Null, eine Erhöhung der "Strafzinsen" für Einlagen bei der EZB und die Aufstockung der umstrittenen Anleihenkäufe von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat zur Belebung der Konjunktur beitragen werden.
Die Wirksamkeit dieses Medikamenten-Cocktails ist schon deshalb umstritten, weil die Zielsetzungen der Behandlung reichlich unklar sind. Die Kreditvergabe von Geschäftsbanken an Unternehmen und Konsumenten stagniert trotz der historisch niedrigen Zinsen. Auch die Entwicklung der gesamteuropäischen Inflationsrate geht nicht in die gewünschte Richtung. Es erweist sich als realitätsferne Idee, die durchschnittliche Preisentwicklung in den Euro-Staaten ließe sich über einen Leisten scheren und durch geldpolitische Klimmzüge aller Art auf exakt abgezirkelte zwei Prozent hin trimmen.
Das letzte EZB-Pulver verschossen
Die unerwünschten Nebenwirkungen des aktuellen EZB-Kurses erregen jedenfalls durchaus berechtigtes Aufsehen. Die Nullzinsen schlagen sich aufs Gemüt der Sparer und führen zu Ausweichreaktionen und Flucht in andere, oft riskantere Anlagen. Außerdem wiegen sie Europas Finanzminister in der Illusion, ihre hohe Verschuldung beibehalten zu können. Die Steigerung der Anleihenkäufe wiederum löst eher Ängste als konjunkturelle Belebung aus. Dass die Notenbank zum Hauptgläubiger insbesondere jener Euroländer wird, die ihre Budgetprobleme erst notdürftig im Griff haben, kann auch als Einführung von Eurobonds durch die Hintertür interpretiert werden und verstärkt den Eindruck, es gehe in der ganzen Übung in Wirklichkeit um andere, unausgesprochene Ziele.
Am ehesten lässt sich die relative Schwächung des Eurokurses zum US-Dollar als ein die Wettbewerbsfähigkeit stärkender Erfolg buchen - aber gerade dieser Effekt war ja schon erreicht, er hätte keiner Verstärkung bedurft.
Dass Notenbanken so viel Raum in der ökonomischen Diskussion einnehmen, ist ein Krisensymptom und Anzeichen dafür, dass die massiven Verwerfungen im gesamten System noch lange nicht behoben sind. Jetzt, nachdem wohl das letzte Pulver aus dem Arsenal der EZB verschossen ist, wird man um eine tiefer greifende Reformdiskussion nicht mehr herumkommen. Notenbanken können und dürfen Politik nicht ersetzen.
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