"Nur die Dummen werden erwischt"

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Hans G. Zeger, Obmann der ARGE Daten, über Grundrechte im Bereich des Datenschutzes.

Die Furche: Wird die EU durch die Vorratsdatenspeicherung sicherer?

Hans G. Zeger: Nein, man erwischt nur die paar Dummen, die es nicht geschafft haben, einige Vorkehrungen zu treffen.

Die Furche: Wie steht's mit der Terrorismusbekämpfung?

Zeger: Den Terrorismus wird das überhaupt nicht tangieren. Die Verbrecher können diese Datenspeicherung sehr gut unterlaufen, und gerade terroristische Netzwerke verwenden andere Kommunikationswege wie Botendienste, mündliche Weitergaben usw. Für bestimmte Daten und Delikte riskieren diese Menschen ihr Leben, denen ist egal, ob sie nach der Tat ausgeforscht werden. Ein Punkt ist auch die Datenmenge. Wenn ein Terroranschlag stattgefunden hat, müssen viele Ressourcen aufgewendet werden, um in der Unmenge an Daten zu suchen, wenn überhaupt klar ist, wonach man sucht. Diese Ressourcen wären in der klassischen Verbrechensbekämpfung viel besser aufgehoben.

Die Furche: Zu welcher Art von Gesellschaft führt dieser Wunsch nach absoluter Sicherheit?

Zeger: Er führt zu einer fundamentalistischen Gesellschaft. Wir erfüllen die Wünsche jener, die angeblich bekämpft werden. Es kommt zu einem Paradigmenwechsel. Der Grundsatz der Verfassung, dass jeder Bürger unbehelligt leben darf, so lange er sich nichts zuschulden kommen lässt, und erst auf Verdacht ermittelt wird, gilt nicht mehr. Zunächst wird alles gespeichert und später definiert, welche Handlung unbescholten ist und welche nicht.

Die Furche: Die Informations-Beschaffung wird schwierig werden?

Zeger: So ist es, Beamte, Offizielle und dergleichen werden sich hüten, in den Dunstkreis zu geraten, sie hätten Informationen weitergegeben. Im vorauseilendem Gehorsam werden sie alles daran setzen, nicht erreichbar zu sein.

Die Furche: Ist dieses absurde Sicherheitsbedürfnis ein Import?

Zeger: Der Vergleich mit anderen Ländern ist schwer, weil fundamentale Dinge anders sind. Die Überwachung hat sich in den USA extrem verschärft, aber in erster Linie richtet sie sich gegen Ausländer. Die Vorratsdatenspeicherung, wie sie die USA in Europa fordert, ist in den Vereinigten Staaten nicht durchsetzbar.

Die Furche: Besteht noch eine Chance, dass die Richtlinie kippt?

Zeger: Man könnte den Passus, dass keine Daten aufgezeichnet werden dürfen, die auf den Inhalt rückschließen lassen, streng auslegen. Damit könnte man Nummern von NGOs, Redaktionen, Anwälten, Steuerberatern und ähnliche von der Speicherung ausnehmen. Dann würde nichts mehr übrig bleiben. Oder man ruft den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, weil die Richtlinie entgegen der Europäischen Menschenrechtskonvention verabschiedet wurde.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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