„Ohne Begleitmaßnahmen nur Alibiaktion“

Werbung
Werbung
Werbung

Enttäuscht über den Entwurf zur Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung ist auch Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt. Wird dies so beschlossen, hängt es für die Juristin von Begleitmaßnahmen ab.

Die Furche: Was sind die Probleme des Entwurfes?

Andrea Holz-Dahrenstaedt: Zum einen bedauern wir das Prozedere: Es gibt bereits einen Entwurf des „Netzwerks Kinderrechte“ bzw. einen vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte. Bei der Erstellung der Regierungsvorlage wurden die Kinderrechtsexperten nicht eingebunden. Zum zweiten fehlen wesentliche Bestimmungen im Entwurf, zum Beispiel das Verbot von Diskriminierung, das Recht auf Bildung und Gesundheit. Die getroffene Auswahl ist nicht nachvollziehbar.

Die Furche: Haben Sie eine Vermutung, warum die Regierungsparteien manche Rechte aussparten?

Holz-Dahrenstaedt: Zunächst: Der dritte Kritikpunkt bezieht sich auf den Artikel 7 des Entwurfes, der einen Vorbehalt, eine Einschränkung der anderen Artikel vorsieht. Und da bin ich schon bei möglichen Gründen: Es geht um Auswirkungen auf fremdenrechtliche Bestimmungen und um mögliche Kosten.

Die Furche: Können Sie Beispiele nennen?

Holz-Dahrenstaedt: Es widerspricht massiv der Kinderrechtskonvention, dass minderjährige Flüchtlinge in Schubhaft genommen werden. Mit dem Vorbehalt sind Ausnahmen zulässig. Das andere sind mögliche Rechtsansprüche. Man denke an behinderte Kinder und das verpflichtende Kindergartenjahr. Hier heißt es, wenn räumliche Voraussetzungen nicht gegeben sind, gelten für behinderte Kinder Ausnahmen. Wenn aber das Recht auf Bildung im Verfassungsrang wäre, gebe es Rechtsansprüche. Der Entwurf selektiert die Rechte nach Sparsamkeitsgründen, nicht aber nach dem Kindeswohl.

Die Furche: Wenn der Entwurf so kommt, könnten Sie mit diesem leben?

Holz-Dahrenstaedt: So nah waren wir noch nie am Ziel dran. Wenn er so kommt, dann ist die Hoffnung auf Nachbesserungen auf Jahre vorbei. Doch wenn er so in Kraft treten sollte, dann hängt es entscheidend von Begleitmaßnahmen ab. Es müssen jene Institutionen gestärkt werden, die Beschwerden einlegen können, wenn verfassungsrechtliche Grundechte verletzt würden. Kinder- und Jugendanwaltschaften haben aber noch keine Legitimation – weder zu Individualverfahren noch zu Gesetzesbeschwerden. Unser Gesetzesauftrag ist lediglich ein vermittelnder. Die österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften sind nicht einmal mehr stimmberechtigtes Mitglied im Europäischen Netzwerk für Kinder-Ombudsleute, weil unsere gesetzlichen Grundlagen nicht passen. Wir haben keinen Auftrag zum Monitoring.

Die Furche: Wer muss noch gestärkt werden und wie?

Holz-Dahrenstaedt: Natürlich die Eltern. Auf institutioneller Seite vor allem die Jugendwohlfahrt, die vor dem Kollaps steht. Wenn diese Einrichtungen sowie weitere nicht gestärkt werden, dann ist die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung nur eine Alibiaktion. Notwendig wäre auch eine Kinderverträglichkeitsprüfung: Alle Gesetzesvorhaben müssten auf ihre Folgen für Kinder geprüft werden.

* Das Gespräch führte Regine Bogensberger

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung