"Ordentlich eingeteilt"

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Während vor allem ältere Menschen häufig über die Rücksichtslosigkeit der Jungen klagen, beweisen Jugendliche während des "Freiwilligen sozialen Jahres", dass ihnen der Einsatz für andere Menschen ein Anliegen ist.

Ursprünglich war es nur als Überbrückung gedacht, bis ihr etwas Anderes einfallen würde. Aber aus der Überbrückung wurde ein Berufswunsch, den Flora Kepling nun konsequent verfolgt.

Die Überbrückung wurde nötig, als im vorigen Jahr die damals 19-Jährige das Kolleg für Kultur- und Kongress-Management besuchte und nach zwei Monaten feststellte, dass es doch nicht das Richtige für sie war. "Da habe ich mich daran erinnert, dass es die Möglichkeit des freiwilligen sozialen Jahres (FSJ) gibt." Gehört hat die Mühlviertlerin davon erstmals auf einer Berufsinformationsmesse. Und später haben ihr auch Freundinnen, die ein solches Jahr als Mitarbeiterinnen in einer Sozialeinrichtung absolviert hatten, begeistert davon erzählt.

"Das sind die beiden häufigsten Wege, auf denen die Jugendlichen auf uns aufmerksam werden: durch Mundpropaganda und den Messestand, den wir auf allen Berufsinformationsmessen haben. Aber auch das Arbeitsmarktservice macht immer wieder auf uns aufmerksam", erklärt Maria Fischerlehner, Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste. Seit nunmehr 35 Jahren bietet der Verein, der von der Katholischen Jugend, den Pfadfindern, der Kolpingfamilie, der Jungschar und der JugendGemeinschaft Christlichen Lebens Österreichs geführt wird, Jugendlichen die Möglichkeit, elf Monate lang das Berufsleben im Sozialbereich kennen zu lernen. Interessenten werden an soziale Einrichtungen vermittelt, die mit Kindern, alten oder behinderten Menschen, Flüchtlingen oder Obdachlosen arbeiten.

Hilfe im Alltag

Flora Kepling suchte sich als Einsatzort "Das Dorf" aus, eine Einrichtung, in der körperlich und mehrfach behinderte Menschen in betreuten Wohngemeinschaften leben. "Vom Helfen beim Aufstehen über anziehen, waschen, auf die Toilette begleiten und beim Essen helfen war alles zu tun", erzählt die junge Oberösterreicherin. "Ich war schon ordentlich eingeteilt. Aber dieses Jahr hat mir viel gebracht, weil ich jetzt weiß, dass mir die Arbeit mit Menschen viel Spaß macht."

Heuer sind 150 junge Menschen im Rahmen eines FSJ im Einsatz. 2.300 haben es schon hinter sich. Dabei gibt es nicht viele Bedingungen, die die Teilnehmer erfüllen sollten: Sie müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, psychisch und physisch belastbar und örtlich flexibel sein, da die Einsatzorte in ganz Österreich verstreut sind. Dass die Absolventen einen Beruf im Sozialbereich einschlagen, ist für Maria Fischerlehner keine Seltenheit. "Wir haben erhoben, dass das etwa 84 Prozent aller Teilnehmer tun. Das FSJ ist also prägend für die Berufsentscheidung."

Die Motivationen der Jugend-lichen seien dabei immer wieder dieselben, erzählt sie: "Viele suchen berufliche Orientierung, haben keine Ahnung, was sie nach der Schule machen sollen. Andere wollen ihre Eignung für den Sozialbereich testen oder nach zwölf Jahren Schule etwas Sinnvolles machen, bevor sie auf der Universität weiterlernen." Auch als Überbrückung eines Wartejahres, wenn der gewünschte Ausbildungsplatz nicht frei war, machen manche ein FSJ. "Ausschließlich ehrenamtlich", gibt Fischerlehner zu bedenken, "ist dieses Engagement ja eigentlich nicht, denn die Jugendlichen wohnen gratis und bekommen ein bisschen Taschengeld." Aber deswegen, betont sie, mache das keiner.

Und welche Aufgaben übernehmen die jungen Leute? "Sie können natürlich keine Fachkraft ersetzen", ist der Geschäftsführerin klar. "Aber sie steigern die Qualität der Betreuung. Sie übernehmen Arbeiten, die die hauptamtlichen Pfleger nicht übernehmen können." Denn wer habe zum Beispiel sonst Zeit, mit den Leuten in einem Altersheim "Mensch ärgere dich nicht" zu spielen? "Außerdem schätzen viele Einrichtungen die Jungen, die unvoreingenommen und mit neuen Ideen kommen, die alles hinterfragen, was die Fachkräfte seit Jahren einfach hinnehmen."

Ideen und Motivation

Auch Flora Kepling, die gemeinsam mit neun hauptamtlichen Mitarbeitern die Betreuung von zwölf Bewohnern der Wohngemeinschaft übernommen hatte, brachte neue Ideen mit: "Wir haben versucht, die Routine zu durchbrechen und Ausflüge zu organisieren oder schwimmen zu gehen." Aber es sei sehr schwierig gewesen, manche Bewohner zu Neuem zu motivieren. "Aber andere haben sich unglaublich gefreut, wenn sie einmal aus dem Alltag hinausgekommen sind. Das hat mich dann wieder sehr motiviert." Auch wenn es manchmal schwierig war - der Gedanke, das FSJ könnte ein Fehler gewesen sein, kam ihr nie. Im Gegenteil: Sie absolviert derzeit die Fachhochschule für Sozialarbeit. "Am liebsten würde ich danach ins Ausland gehen und mit Migranten arbeiten. Oder mit Wohnungslosen."

Weitere Informationen: www.fsj.at

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