Parallelaktionen im Pensionssystem

Werbung
Werbung
Werbung

Die Seniorenvertreter der Regierungsparteien überlegen erste Kampfmaßnahmen. Sozialministerium rechnet neue Modelle und lädt für Jänner 2011 zu Beratungen.

Sollte es notwendig sein, eine Auseinandersetzung härter zu führen, dann scheinen die Senioren dazu bereit zu sein: "Wir werden ein Register der Kampfmaßnahmen entwickeln", sagte Andreas Khol, Obmann des Seniorenbundes der ÖVP und gegenwärtig amtierender Präsident des als Sozialpartner anerkannten Österreichischen Seniorenrates.

Was Khol vor wenigen Tagen in einem Hintergrundgespräch diskret aber deutlich ankündigte, war Mitte dieser Woche bereits Gegenstand eines Arbeitsgespräches von Khol mit seinem sozialdemokratischen Gegenüber, Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbandes Österreichs. Grund der Vorbereitungen: die geplante Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrages für Pensionisten. Beide, Khol und Blecha, holen sich in diesen Tagen erneut die Unterstützung der Basis ihrer Organisationen: Khol diese Woche bei den fast 400 Delegierten des 5. Österreichischen Seniorenkongresses auf der Burg Perchtoldsdorf, Blecha nächste Woche vor ebenso vielen Teilnehmern beim Verbandstag im Austria Center Vienna. Die Senioren sind aber nicht die einzigen, die sich derzeit intensiv mit dem Pensionssystem befassen.

Hundstorfer lädt Sozialpartner zu Gipfel

Der politische Kalender des nächsten Jahres beginnt sich bereits zu füllen. Schon im Jänner will Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Sozialpartner zu einem Gipfelgespräch einladen. Thema: Anreize zu debattieren, um die Österreicherinnen und Österreicher länger im Erwerbsleben zu halten. Über Anreizmodelle, so Hundstorfer, werde schon länger gesprochen, wobei eines klar sei: Man wolle im Pensionssystem eine Weiterentwicklung dahingehend, dass Betroffene länger im Erwerbsleben bleiben. Einer, der diesbezüglich einen Vorschlag unterbreitete, erhielt prompt eine Absage: Christoph Leitl.

Der Präsident der Wirtschaftskammer hatte zu Wochenbeginn, ebenfalls in einem Hintergrundgespräch, die vom Experten Bernd Marin erstellten Berechnungen zu seinem bereits in Alpbach erläuterten Anreizmodell präsentiert. So ließen sich rund 277 Millionen Euro im Pensionssystem einsparen, sollten - so der Vorschlag - für jeden über das Antrittsalter hinaus tätigen Arbeitnehmer je ein Viertel der fiktiven Pension als Zuschuss zum Gehalt und zu den Gehaltskosten bezahlt werden. Kaum wurden Idee und Berechnungen publik, folgten Absagen aus der Regierung.

"Das ist technisch nicht möglich", sagte etwa Sozialminister Hundstorfer. Alle Berechnungen von Marin hätten nämlich ein Problem: "Sie haben nicht die Qualität, durchgehalten zu werden", wie sich bei Überprüfungen gezeigt habe. Die Zahlen würden nicht stimmen. Und Finanzminister Josef Pröll: "Das kann so nicht Realität werden." Das ist das Ende zumindest für diesen Vorschlag. Obwohl ihn etwa Andreas Khol durchaus übelegensswert findet: "Leitl hat eine Debatte angestoßen, die wir dringend brauchen." Er, Khol, freue sich auf die Gespräche der Sozialpartner im Jänner, denn es brauche "diverse Maßnahmen", damit Menschen länger, zumindest bis zum Erreichen des gesetzlichen Antrittsalters, im Beruf bleiben.

Noch ehe es zu diesem Gipfel kommt, agieren die Seniorenvertreter gegen die von der Bundesregierung im Rahmen eines Sparpaketes geplante Streichung des Absetzbetrages für Alleinverdiener bei Pensionisten.

Sie hätten das Pensionspaket insgesamt als gerecht empfunden, doch diese Maßnahme als ungerecht, erläuterte Khol. Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Pröll hätten dies so dargestellt, als träfe die Kürzung "die Reichen", was aber nicht stimme: "Sie trifft die Bezieher der Ausgleichszulage", argumentiert der Seniorenbund. Die Steuerpflicht beginne für Pensionisten bei 1100 Euro, die Maßnahme beträfe "Ehepaare und Mindestrentner", die sich auf das von Volkspartei vertretene Familienbild verlassen hätten, wonach der Mann im Erwerbsleben tätig sei, die Frau sich um Kinder und Familie kümmere. Für viele dieser Menschen sei das Leben heute, in hohem Alter, "ein G'frett". Rund 45.000 Ehepaare seien von dieser Kürzung betroffen, rechnen Khol und der Seniorenbund vor.

Nahezu alle Pensionen würden sinken

Die Abschaffung des Alleinverdienerabsetzbetrages vernichte jede Pensionsanpassung. Diese liege für Pensionen unter 2000 Euro bei 1,2 Prozent. Mit dem Absetzbetrag erhielten die Bezieher sogenannter Mindestpensionen nächstes Jahr netto um 9,10 Euro mehr Pension, ohne diesen Absetzbetrag hingegen um 21,20 Euro weniger. Es würden aber nicht nur jedes Mindestpensions-Ehepaar unter die Armutsgrenze rutschen, sondern es würden nahezu alle Pensionsbezieher netto verlieren, denn rund 90 Prozent der gesetzlichen Pensionen liegen unter dem Betrag von 2000 Euro.

Diese Streichung verletze zudem Gleichheitsgrundsatz und den Vertrauensschutz. Daher "werden wir mit aller Kraft" für den Erhalt das Alleinverdienerabsetzbetrages eintreten, kündigte Khol dieser Tage mehrfach an.

Die Bundesregierung setzt nächste Woche ihre Gespräche mit Betroffenen des Sparbudgets fort. Vorige Woche war mit den Religionsgemeinschaften Kardinal Christoph Schönborn geladen. Er ersuchte Kanzler und Vizekanzler eindringlich, die Einsparungen bei den Familien und bei der Bildung "zu überdenken" und dafür die großen Strukturreformen zu beginnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung