
Peter Androsch: „Wir sind Sinnestiere“
„Ohren spitzen, hören gehen“: Das ist das Motto im Werk des Schallkünstlers Peter Androsch. Ein Gespräch über die Ökologie der Klänge und das akustische Versagen in Österreich.
„Ohren spitzen, hören gehen“: Das ist das Motto im Werk des Schallkünstlers Peter Androsch. Ein Gespräch über die Ökologie der Klänge und das akustische Versagen in Österreich.
Eine menschengerechte Gestaltung der akustischen Umwelt: Das ist das zentrale Anliegen des Projekts „Hörstadt“, gegründet 2006 im Rahmen der von Peter Androsch geleiteten Musikabteilung der Europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009. Seither versteht sich die „Hörstadt“ als Labor für Akustik, Raum und Gesellschaft. Der Linzer betätigt sich auch als Musiker, Komponist und „Klangschreiber“ (Phonograph), und äußert sich immer wieder kritisch zu den akustischen Verhältnissen im Land. Die FURCHE hat nachgefragt.
DIE FURCHE: Der Sommer steht vor der Türe – welche Geräusche verbinden Sie damit?
Peter Androsch: Am schönsten klingt der warme Sommerregen. Weich, leicht, dunstig. Und natürlich das Meeresrauschen, egal wo, ob im Süden oder Norden. Immer gleich und doch immer anders.
DIE FURCHE: Kreischende Bambini sind in Italien kein Problem, in Österreich oft schon. Alles eine Frage der Sozialisierung?
Androsch: Das Kreischen ist nur bei fremden Bambini ein Problem. Und die vermeintliche Kinderliebe der Italiener gehört zu den modernen Mythen. Denn Italien hat bei weitem die niedrigste Geburtenrate in ganz Europa.
Die Furche: Zeitkritische Stimmen meinen, dass wir heute mehr Schwierigkeiten damit haben, einander wirklich zuzuhören. Teilen Sie diesen Eindruck?
Androsch: Die Klage über den Niedergang der Sitten lässt sich schon bei den antiken Philosophen nachlesen. Es scheint, dass jede Generation vornehmlich den Jungen die gleichen Vorwürfe macht. Sie seien zu laut und respektlos, könnten nicht zuhören. Diese kulturpessimistische Mentalität ist in Österreich besonders ausgeprägt. Mir scheint eher, dass die Alten nicht zuhören können, denn sie betonieren das Land rücksichtslos zu und verschleppen den Klimaschutz. Und wer kurz in unserer Geschichte zurückschaut, entdeckt die Schuld an zwei Weltkriegen und der Schoa. Da ist nicht viel zu hören gewesen. Karl Valentins absurder Spruch bestätigt sich: „Heute ist die gute alte Zeit von morgen.“
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