Pfadfinder zwischen Gut und Böse

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Nach sechs Jahren - und harscher Kritik an ihrem Vorsitzenden - wurde der Bioethikkommission eine personelle Frischzellenkur verpasst.

Die Hiobsbotschaft der Woche kam von Craig Venter: Er wolle das "erste künstliche Lebewesen der Erde" schaffen, verkündete der 61-jährige US-Gen-Pionier. Soeben sei es ihm gelungen, ein synthetisches Chromosom herzustellen, das in ein weiteres Bakterium eingesetzt werden könne und dort ein neues, sich replizierendes Lebewesen erschaffen solle, meinte er gegenüber dem britischen Guardian - der Venters Visionen vergangenen Samstag postwendend online stellte.

Die Meldung barg ausreichend Diskussionsstoff für jene 25 Expertinnen und Experten, die erst am Vortag im fernen Wien von Staatssekretärin Heidrun Silhavy (SP) als neue Mitglieder der Bioethikkommission präsentiert worden waren (siehe Kasten). Schließlich wird es ihre Aufgabe sein, in den kommenden zwei Jahren mit der gebotenen Öffentlichkeitswirksamkeit jene biowissenschaftlichen Entwicklungen ethisch abzuklopfen, bei denen sich das Moralische nicht mehr von selbst versteht.

Motto: "Kick and Rush"

Bisher ist das dem Gremium, das im Juni 2001 vom damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Think Tank im Kanzleramt installiert wurde, nur in Ansätzen gelungen. Vor allem der langjährige Kommissions-Vorsitzende, der Wiener Gynäkologe Johannes Huber, wurde in- und außerhalb der Kommission teils heftig kritisiert. "Die Arbeitsweise war durch das Fußballer-Motto, Kick and Rush' gekennzeichnet", meint etwa der evangelische Theologe Ulrich Körtner. "Es wurden immer neue Themen angerissen, aber nicht zu Ende geführt". Dass die Kommission beim Zustandekommen des Patientenverfügungsgesetzes gar nicht befasst worden sei, sei bezeichnend gewesen.

Für den Wiener Philosophen Günther Pöltner besteht indes das größte Versäumnis darin, dass "eine ethische Grundsatzdiskussion breiten Rahmens" zu kurz gekommen sei. "Es sind kaum jene Fragen erörtert worden, die an der Schnittstelle von Ethik und Anthropologie stehen."

Huber selbst wertet es zumindest als Erfolg der Kommission, dass das Thema Bioethik in der Bevölkerung wahrgenommen werde. Er scheide "mit Wehmut" aus dem Gremium, doch hätten ihn sowohl der enorme Zeitaufwand als auch die Kritik in den eigenen Reihen und nicht zuletzt die Affäre um die von ihm und seinem Kollegen Sepp Leodolter propagierte "Zelltherapie" gegen Krebs davon abgehalten, sich nochmals um den Vorsitz zu bewerben. "Ich wollte die Bioethikkommission nicht mit dieser Diskussion beschmutzen", meinte er im Rahmen eines Jour Fixe des Forums Katholischer Publizisten in Wien.

Dass das Ergebnis der Bioethikkommission mit neun verabschiedeten Papieren und kaum vorhandener Öffentlichkeitsarbeit bescheiden ausfällt, hat freilich noch andere Gründe. "Die Kommission ist im Grunde daran gescheitert, dass sie kein Budget hatte", meint die Molekularbiologen Renée Schroeder, die vier Jahre im Gremium vertreten war. Tatsächlich sind alle Mitglieder ehrenamtlich tätig. Während etwa die Mitglieder des Nationalen Ethikrats in Deutschland wie Sachverständige bezahlt werden und über ein eigenes Budget für externe Studien verfügen, können ihre österreichischen Kollegen höchstens mit der Rückvergütung ihrer Reisekosten rechnen. Nach Aussage von Doris Wolfslehner von der Geschäftsstelle der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt habe es freilich erste Signale gegeben, dass künftig zumindest die Mittel für ein oder zwei Studien pro Jahr zur Verfügung stehen.

Betroffene eingebunden

Auf einen Neustart lassen nicht zuletzt die personellen Änderungen unter den Mitgliedern hoffen: So wurde etwa mit Klaus Voget, dem Präsidenten der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), erstmals ein Behindertenvertreter in das Gremium berufen. Auf eine engere politische Verzahnung deuten sowohl die Aufnahme des Vorsitzenden des Obersten Sanitätsrates, Ernst Wolner, als auch jene des Bereichsleiters für Koordination und Zusammenarbeit von Einrichtungen des Wiener Gesundheitswesens mit der EU, Ludwig Kaspar, hin.

Nicht zuletzt die Zahl der Frauen wurde wesentlich erhöht. Mit der Juristin Christiane Druml, bisher Geschäftsführerin der Ethikkommission der Medizinischen Universität Wien und des AKH, wurde zudem eine Frau an die Spitze des Expertenrates berufen. Drumls vordringliches Anliegen ist es, in der Öffentlichkeit bioethische Debatten zu initiieren und die internationale Vernetzung zu fördern. Bereits diese Woche ergibt sich beim Treffen der Europäischen Nationalen Ethikkommissionen in Lissabon dazu die Gelegenheit.

Dort wird Druml mit Sicherheit auf einen Namen stoßen: Craig Venter. So lange Grenzgänger wie er die Welt in Atem halten, haben Bioethikkommissionen aller Länder ihre Existenzberechtigung.

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