Polizeibeamte brauchen mehr Kontrolle

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Bisher hat der Menschenrechtsbeirat der Polizei genau auf die Finger geschaut. Nun wird der Beirat umstrukturiert und es machen sich Bedenken breit, wie effizient er weiterarbeiten kann.

"Wir haben die Polizei vom Bezirksinspektorat bis zu den höchsten Ebenen des Innenministeriums beobachtet und auch über die Ergebnisse unserer Beobachtungen viele Dialoge geführt“, resümiert Rechtsanwalt Georg Bürstmayr. Der Leiter der Kommission Wien im bisherigen Menschenrechtsbeirat bezweifelt, ob eine derartig intensive Überwachung der Polizei weiterhin möglich sein werde. Denn ab 1. Juli wird der Menschenrechtsbeirat vom Innenministerium in die Volksanwaltschaft umgesiedelt und damit ein wesentlich breiteres Aufgabenfeld als bisher abdecken müssen.

Insgesamt 375 Empfehlungen hat der Menschenrechtsbeirat in den 13 Jahren seiner Tätigkeit an das Innenministerium gerichtet. Sechs Kommissionen haben über 5000 Besuche und Beobachtungen bei Polizeidienststellen, in Anhaltezentren, bei Demonstrationen und Razzien durchgeführt. Das Verhalten der Polizei habe sich dadurch nachhaltig verändert, meint Bürstmayr. Viele Polizeibeamte hätten heute ein ganz anderes Selbstverständnis, so der Jurist mit den Schwerpunkten Asylrecht und Fremdenrecht. "Früher haben österreichische Polizisten die Vorschriften zur Wahrung der Menschenrechte häufig als Einschränkung ihres Handlungsspielraums gesehen. Heute sehen sie den Schutz der Menschenrechte als selbstverständlichen Teil und als Ziel ihrer Arbeit.“

4.200 Einrichtungen im Visier

Der neue Beirat wird neben der Polizei künftig sämtliche Orte beobachten, an denen "Freiheitsentziehung“ stattfindet: Das betrifft rund 4.200 öffentliche und private Einrichtungen. Neben Straf- oder Untersuchungsanstalten werden auch psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Wohngemeinschaften für Jugendliche und Kasernen überwacht werden. Nun herrscht die Sorge, dass bei manchen Polizeistellen der Eindruck entstehen könne, man stünde ohnehin nicht mehr unter Beobachtung. Daher schlägt der Beirat die Schaffung einer Beschwerdestelle vor, bei der Opfer von polizeilicher Misshandlung rund um die Uhr niederschwellige Unterstützung erhalten. Um eine solche Stelle einrichten zu können, brauche es eine Verfassungsänderung, die das neue Gremium der Volksanwaltschaft anregen könnte.

Verbesserungsbedarf bestehe nach wie vor insbesondere im Umgang der Polizei mit ausländischen Häftlingen in der Schubhaft und bei Abschiebungen. "Unzumutbare Arrestzellen“ seien zwar geschlossen worden und Häftlinge würden besser behandelt, nennt Bürstmayr einige Erfolge der vergangenen Jahre. "Das Problem ist, dass die Bedingungen in der Schubhaft denen einer Strafhaft ähnlich sind. Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten für Schubhäftlinge“, so der Jurist.

Nicht zuletzt wegen Menschenrechtsverletzungen in der Schubhaft wurde der Beirat 1999 gegründet: Als der nigerianische Schubhäftling Marcus Omofuma während einer Abschiebung auf dem Flug nach Bulgarien starb, sah sich der damalige SP-Innenminister Karl Schlögl veranlasst, ein weisungsfreies Beratungs- und Kontrollgremium einzurichten. Schon 1990 hatte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter nach einem Österreich-Besuch den heimischen Behörden empfohlen, ein unabhängiges Organ mit der regelmäßigen Inspektion der Haftbedingungen in den Polizeianhaltezentren zu betrauen.

Volksanwaltschaft bekommt "Aufsichtsrat“

Ab 1. Juli wird der Menschenrechtsbeirat die Volksanwaltschaft "als menschenrechtlicher Aufsichtsrat“ bei der präventiven Kontrolle der Einrichtungen "mit Freiheitsentziehung“ beraten. Durch die Eingliederung in die Volksanwaltschaft erhält der Beirat neue Befugnisse: Das bisherige Gremium beim Innenministerium konnte sich nicht mit Einzelfällen befassen und Rechtsverletzungen feststellen. Zudem kann die Volksanwaltschaft auf Gesetzesänderungen drängen, was dem Beirat bisher nicht möglich war. Mit den neuen Kompetenzen wird das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention (OPCAT) der UNO und der darin geforderte "Nationale Präventionsmechanismus“ umgesetzt.

Der Menschenrechtsbeirat wird weiterhin aus Vertretern der NGOs, der Ministerien und der Besuchskommissionen bestehen. Dem neuen Gremium werden insgesamt 16 Mitglieder angehören. 40 Prozent der bisherigen Kommissionsmitglieder werden in den neuen Beirat übernommen. Unter jenen, die von NGOs entsandt wurden, befinden sich etwa Heinz Patzelt von Amnesty International, Martin Schenk von der Diakonie und Philipp Sonderegger von SOS Mitmensch. "Es ist völlig richtig, einen breiteren Bogen zu spannen“, meint Caritas-Chef Franz Küberl zur Umstrukturierung des Menschenrechtsbeirates. Patzelt habe es "beinahe als Befreiungsschlag empfunden, nicht mehr dem Innenministerium, sondern einer unabhängigeren Institution unterstellt zu sein.“

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