Powerfrau und Rabenmutter

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Sind berufstätige Mütter mit Kleinstkindern verantwortungslos? Was macht gute Mütter aus? Drei kontroverse Meinungen zu einem strittigen Thema.

Noch nie zuvor hat eine Frauengeneration das Kinderkriegen so wenig als natürliches Element ihrer weiblichen Biographie annehmen können und dürfen wie heute. Ob Vollzeit- oder Doppelrollen-Mutter, ob Nur-Hausfrau oder berufstätige Karriere-Frau, Mütter waren noch nie so unzufrieden und verunsichert wie heute.

Moderne Mutterschaft, häufig ganz allein der Frau aufgebürdet, ist zunehmend gefangen im Labyrinth der ehrgeizigen Ziele von Feminismus und Konsumgesellschaft. Ein beängstigender Perfektionswahn hat die gegenwärtige Frauenrolle erfasst, beherrscht von dem Motto, dass alles unter einen Hut zu bringen ist: "Anything goes!" Medial hochgejubelte "Powerfrauen" zeigen vor, dass alles vereinbar ist: Kinderkriegen, Haushalt, Beruf, Fitnessstudio ... Die Frauen befinden sich in einem neurotisierenden Wettlauf unerreichbarer Karriere-, Konsum-, Schönheits- und Harmonie-Ideale.

Ausgelaugt von horrenden Anforderungen am Arbeitsplatz und gehetzt durch die enge Terminplanung des Alltags, zahlen Frauen zunehmend einen hohen Preis für ihre Mehrfachrollen. Die neue Freiheit konkurriert mit dem Kind. In "Karrieremütter - Superkids?" von Marianne Grabrucker ziehen Mütter nachdenklich Bilanz: keine Freizeit und kaum Freunde, große Müdigkeit oder sogar angeschlagene Gesundheit und latentes schlechtes Gewissen. Da stimmt offensichtlich vieles nicht in unserer Gesellschaft, wenn sie es Frauen so schwer macht, Kinder zu bekommen und aufzuziehen.

Zweifellos hat der Feminismus der letzten Jahrzehnte viel zur Neurotisierung der Gesellschaft beigetragen. Mit der einseitigen Favorisierung der berufstätigen Mutter ist er allzu blauäugig eine Koalition mit Wirtschaftsinteressen nach steigender Produktivität und billiger weiblicher Arbeitskraft eingegangen. Paradoxerweise fließt ja ein Großteil des von Frauen außerfamiliär erwirtschafteten Geldes direkt oder durch Steuern genau an jene Ersatzdienste und Betreuungseinrichtungen, die ehemals familiäre Aufgaben nunmehr teuer ausführen. "Der kämpferische Feminismus von gestern setzte zu sehr darauf, Frauen zu überfordern, Männer vor den Kopf zu stoßen und vergaß überdies die Kinder" - so das ernüchternde Resümee einer Frau, Kommentatorin einer österreichischen Tageszeitung.

Ein unrealistisches Frauenbild hat viele junge Frauen in die Flucht vor dem Kind geschlagen. Deutlicher Ausdruck ist der Geburtenschwund. Das Prestige jener Frauen - und erst recht jener Männer -, die sich abseits des allseitigen Selbstverwirklichungstrips um soziale und familiäre Aufgaben kümmern, ist im Keller. Solange diese Arbeit von Feministinnen - wie zuletzt beim Streit um das "Karenzgeld für alle" - mit Geringschätzung bestraft wird, bleibt die Forderung nach "Wahlfreiheit" ein leeres Schlagwort. Zwischen überhöhter Mutter-Ideologie und egoistischer Selbstverwirklichung ohne Rücksicht auf das Kind verläuft die erbitterte Kontoverse. Wie in einem Wettbewerb scheint es nur noch um die Frage zu gehen, wer die bessere Mutter ist. "Zum Teufel mit der Superfrau!" Mit diesem Zuruf riet schon vor Jahren die französische Journalistin Michelle Fitoussi ihren Geschlechtsgenossinnen zu einem realis-tischeren Frauenbild. Bislang ist allerdings nicht abzusehen, ob die Frauen diesem Ruf in Scharen folgen. Aber vielleicht stellt sich bald heraus, dass auch Altmodisches in die Zukunft weisen kann. Dann nämlich, wenn wieder mehr ins Bewusstsein dringt, dass die häusliche Versorgung von Kleinkindern keine reaktionäre Marotte sein muss, sondern eine bewusste Entscheidung für die Freiheit, also gegen die Zwänge von Feminismus und Konsumgesellschaft und gegen die zunehmende Verstaatlichung der Erziehung.

Der Autor ist Jugendpsychologe und Psychotherapeut in Innsbruck.

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