Rebellierende Teenager und ratlose Eltern

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Rund 600.000 Kinder sind in Österreich im Teenager-Alter. Weil diese Phase der Erziehung besonders schwierig ist, will das Familienministerium mit Ratschlägen und Informationen zur Seite stehen.

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Rund 600.000 Kinder sind in Österreich im Teenager-Alter. Weil diese Phase der Erziehung besonders schwierig ist, will das Familienministerium mit Ratschlägen und Informationen zur Seite stehen.

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Anders als früher leben die Generationen heute nicht mehr in einem überschaubaren Verbundsystem mit Angehörigen, Nachbarn, Bekannten und Freunden. Der Anspruch auf das "eigene" Leben, die Ausbildung, Berufstätigkeit, Mobilität, das Überwiegen von Kleinfamilien, aber auch Trennungen stehen heute im Vordergrund der gesellschaftlichen Strukturen. Familiäre Bindungen und freundschaftlicher Zusammenhalt verlieren scheinbar immer mehr an Wert - was aber zweifellos auch zu den typischen Problemen unserer Leistungsgesellschaft führt. In einer nur auf Leistung orientierten Gesellschaft verschwinden traditionelle Gemeinschaftsformen, verarmt die Kommunikation. Wenn die Österreicher wirklich "ein Volk von alten Menschen" zu werden im Begriff sind, so ist ein generationsübergreifendes Miteinander notwendiger denn je, sind funktionierende Gemeinschaften und das Verständnis zwischen Alt und Jung, zwischen Eltern und Kindern unabdingbar, wenn Perspektiven für die Zukunft gelingen sollen.

Die Kommunikation innerhalb der Familien ist die Basis für ein funktionierendes soziales Miteinander. Besonders schwierig gestaltet sich diese aber für Eltern mit Kindern im Teenager-Alter. Von diesen gibt es in Österreich rund 600.000. Daß Eltern in dieser schwierigen Erziehungsphase viel Unterstützung und Information brauchen, hat das Familienministerium nun dazu bewogen, ein sogenanntes "Elternbildungsprojekt" zu starten, in dem konkrete Maßnahmen wie die Ausgabe von Elternbildungsgutscheinen, eine Neuauflage der "Elternbriefe" sowie die Installation einer Hotline (0660/5201) mit Seminarprogrammen, Adressen und Telefonnummern von Ansprechpartnern für Elternbildung angeboten werden.

Die "Procter & Gamble Familien- initiative" fördert dieses Projekt zusätzlich und bietet im Rahmen von Workshops Unterstützung und Serviceleistungen an.

Christian Stieglitz, Vizepräsident von P & G Österreich, unterstreicht die Notwendigkeit eines solchen Projekts: "Es ist absolut in Ordnung, Hilfe und Rat zu brauchen, wenn Kinder größer werden. Gerade für die Eltern mit Teenagern gab es bisher ja relativ wenig breitflächige Unterstützung. Wir stellen die Kommunikationsexpertise unseres Unternehmens gern in den Dienst dieser Sache."

Bis heute sind Elternbildungsseminare in Österreich von rund 30.000 Teilnehmern besucht worden. Diese Seminare bieten Erfahrungsaustausch, gemeinsames Lösen von Problemen und Möglichkeiten der Verhinderung von Kommunikationsproblemen an. Elternbildung soll auf Grund dieser vielen positiven Erfahrungen in diesem Bereich in Zukunft noch mehr gefördert und intensiviert werden.

Das Ziel des verstärkten Bildungsangebotes für Eltern mit (Teenager)-Kindern ist eine noch intensivere Unterstützung in der Erziehungsarbeit, mit dem Ziel, Konflikte in der Familie entweder zu verringern oder erst gar nicht entstehen zu lassen.

Begonnen haben die Elternbildungsseminare im Jahr 1994. Damals erarbeitete das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie Qualitätskriterien für Anbieter solcher Seminare. Diese Kriterien umfassen Inhalte, Methoden und Didaktik. Sie bilden auch die Voraussetzung für eine allfällige Förderung durch das Bundesministerium. Die Seminare finden meist an mehreren Abenden in Gruppen bis zu maximal 20 Personen statt.

Viele Eltern können heute die Erziehungsmethoden, die sie selbst in ihrer Kindheit und Jugend erlebt haben, nicht mehr auf die Erziehung der eigenen Kinder anwenden. Einerseits haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen an die Erziehung geändert, andererseit haben es viele Eltern durch die herrschende Wertevielfalt auch zunehmend schwerer - trotz oder gerade wegen der Überfülle an gedruckten Elternratgebern. In Elternbildungsseminaren wird die Möglichkeit geboten, mit anderen Eltern Erfahrungen auszutauschen, aber auch eigenes Verhalten zu reflektieren sowie Informationen und Orientierungshilfen in Anspruch zu nehmen.

95 Prozent der bisherigen Teilnehmer von Elternbildungsseminaren gaben an, daß sie mit dem Angebotenen in hohem Maße zufrieden waren. Die Seminare wurden dabei als sehr hilfreich bei der Bewältigung schwieriger Erziehungsfragen bezeichnet. Sie wurden vielfach auch als persönliche Bereicherung und als Anstoß, auch neue Wege in der interfamiliären Kommunikation zu gehen, beschrieben.

Grundsätzlich werden Themen wie die Entwicklung des Kindes/Jugendlicher, Erziehungsstile und -ziele, Fragen der Beziehung und der Kommunikation sowie die Möglichkeiten von Konfliktlösungen, Fragen der Gesundheit, der Sexualerziehung, auch rechtliche und ökonomische Inhalte und das Bekanntmachen von Servicenangeboten in jedem Seminar behandelt. Die Seminare orientieren sich aber stark an den jeweiligen Bedürfnissen der Teilnehmer. So soll zumindest eine Lebensphase der Kinder in einem Seminar abgedeckt werden (zum Beispiel die Pubertät). Auch der Medienkonsum der Jugendlichen und die daraus entstehenden Konsequenzen zählen zu den meistgewünschten Inhalten. Allen gemeinsam sind Fragen der Kommunikation, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche Probleme und Lösungen ziehen.

Eltern, die Seminare besucht haben, berichten von mehr Gelassenheit und Sicherheit im Erziehungsverhalten und auch von weniger Ängsten gegenüber Themen wie Sekten oder Drogen. Mehr Vertrauen in die eigene Erziehungskompetenz und mehr Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder gehören auch zu den positiven Resultaten der verstärkten "Elternbildung."

Jene Eltern, die Elternbildungsseminare als hilfreich erfahren haben, stehen in der Folge bei Bedarf auch Beratungs- und Kriseninterventionsstellen (zum Beispiele bei Eßstörungen oder massiven Schulproblemen ihrer Kinder) wesentlich offener gegenüber und nehmen diese auch eher und vor allem zeitlich früher in Anspruch.

Familien sind nicht nur die Summe der Einzelpersonen, aus denen sie bestehen. Obwohl sie sich im Fluß ständiger Veränderungen befinden, haben sie doch eine gewisse Struktur und eine bestimmte Ordnung. Störungen oder Konflikte hängen nicht nur von einer Einzelperson ab, sie entstehen durch ein ganzes Beziehungssystem, ganz besonders natürlich im "System" der Familie. Negative Kommunikationskreisläufe, die immer nach dem gleichen Muster ablaufen, ohne daß sich für ein bestimmtes Problem eine Lösung ergibt, brauchen Klärung und Hilfe von außen.

Ein Nachdenken über die Zukunft schließt auch ein Nachdenken über die Erziehung unserer Kinder mit ein. Wir werden dabei aber nicht umhin können, auch über uns selbst nachzudenken. Darüber, was wir unseren Kindern vorleben, welche Lebensbedingungen wir ihnen schaffen und ob diese Lebensbedingungen auch die sind, die unsere Kinder brauchen und wollen.

Ein funktionierendes Miteinander der Generationen kann nur im Austausch von Interessen und Bedürfnissen aller Beteiligten gelingen. Zum vielzitierten Generationenvertrag gehören nicht nur Erwerbstätige und Pensionisten, sondern auch die Generation unserer Kinder.

Eltern sollten daher jede Unterstützung bekommen, die ihnen bei der Erziehung ihrer Kinder hilft, denn Erziehungsarbeit ist auch Beziehungsarbeit.

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