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Offensichtlich muss immer erst ein Kind zu Schaden kommen, damit eine Meldung zum Thema wird. Das war so bei der leidigen Kampfhundefrage, und auch die Skinhead-Attacke auf den kleinen Tuttan Stevenson und seinen Vater in Wien löst nun zumindest ernsthafte Überlegungen aus, wie Legislative und Exekutive der zunehmenden braunen Gewalttätigkeit Herr werden könnten. Immerhin ist in Österreich die Anzahl von Anzeigen wegen sogenannter "rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Vorfälle" in der ersten Jahreshälfte 2000 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um fast 50 Prozent angestiegen - es hätte eigentlich nicht der Skandale in Deutschland und auch nicht des Falls Stevenson bedurft, um alle Alarmglocken schrillen zu lassen. Wobei es nicht leicht sein wird, das vielschichtige Problem Rechtsradikalismus beziehungsweise Neofaschismus und die jugendliche Gewaltszene, das heißt Skinheads und Hooligans in den Griff zu bekommen.

Die Grenzen sind hier im zweifachen Wortsinn fließend, zumal das Problem nicht nur ein deutsch-österreichisches, sondern durchaus ein euopäisches und internationales ist. Das Internet leistet fatale Dienste im Hinblick auf Kommunikation und Koordination von terroristischenOrganisationen, und die Tatsache, dass die Medien Bilder von den "Kampfhandlungen" quer durch die Welt verbreiten, macht die Sache für psychisch labile und sozial instabile Jugendliche erst recht interessant. In vielen Fällen ist es wahrscheinlich gar nicht die meist ohnedies nur halbverdaute verquere Ideologie, sondern die Kaderstruktur, die akzeptierte Autorität und der definierte Platz in einer Hierarchie, das Dazugehören zu einer Gruppe mit Symbolen (von der Frisur bis zu den Stiefeln) und Ritualen, wobei der Alkohol vom Initiationsritus bis zum Gewaltauslöser eine wesentliche Rolle spielt. Zumindest ist "action" garantiert - und dass sie sich unter anderem gegen Ausländer richtet, erklärt sich zumindest teilweise aus eigener Statusunsicherheit, schichtspezifischen Abgrenzungswünschen und einer Sündenbocksuche, die gar nicht illegitim erscheint, solange sogar Wahlkampfparolen in diese Richtung gehen.

Und was soll an "blood and honor"(Blut und Ehre - Slogan einer aus Skandinavien kommenden Skinheadbewegung) falsch sein, wenn österreichische Politiker mit "Unsere Ehre heißt Treue" reüssieren dürfen?

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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