Bär in Rumänien - © Maria-Lisa Stelzel

Rumänien: Bären, Landler und Sarmale

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Siebenbürgen prägt eine Vielfalt der Ethnien, CeauŞescus Erbe, eine nahezu unberührte Natur und „Dracula“. Eine Erinnerungsreise an Orte der Kindheit.

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Siebenbürgen prägt eine Vielfalt der Ethnien, CeauŞescus Erbe, eine nahezu unberührte Natur und „Dracula“. Eine Erinnerungsreise an Orte der Kindheit.

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E in tanzender Bär an einer schweren Kette. Ein alter Mann spielt auf einer Geige typisch rumänische Volksmusik (Doina), die Trommel dröhnt auf dem Dorfplatz, die Zuschauer grölen: Diese Bilder tauchen auf, wenn ich mich an meine Kindheit in Rumänien erinnere. Mehrmals im Jahr kamen seltsame Burschen (sie nannten sich selbst Zigani) in unser kleines Dorf, um mit diesem grausamen Tier-Spektakel ein paar Lei zu verdienen. Das Dorf heißt Şoimuş, neben Deva, Landkreis Hunedoara. Wir Kinder gingen in die Dorfschule, kümmerten uns um Schweine, Hühner und Hunde. Wir waren „Reichsdeutsche“ und seit dem Einmarsch der Russen am 23. August 1944 Staatsfeinde.

Für meinen Bruder und mich war es ein Fluchtpunkt. Eine deutsche Frau aus Siebenbürgen hatte uns auf ihrer kleinen Farm aufgenommen. Ihr Mann war, wie mein Vater, nach Russland deportiert worden. Sie waren Zivilgefangene. Stalin wollte Arbeitskräfte als Ersatz für Millionen von russischen Soldaten, die von den Deutschen im Krieg getötet worden waren. Unsere Mutter, noch vor kurzem eine elegante Dame der Bukarester Gesellschaft, nähte Schaffellpantoffeln, um zu überleben.

Wie entstand der „Bärentanz“? Durch Folter! Man sagt, dass man die Tiere, sobald sie gefangen waren, auf heiße Steine gezerrt hat. Vor Schmerzen begannen die Tatzen zu tanzen. Ein grausames Training, das es heute in Rumänien nicht mehr gibt. Zu Zeiten Ceauşescus wurden diese Tiere zu „Staatsbären“, die Devisen einbrachten. Gern ging auch der rumänische Diktator auf die Jagd. Jagdbesessene Europäer und Amerikaner machten Jagd auf Bären und schickten Fotos nach Hause. Das ist seit den 1980er Jahren verboten. Die Bärenjagd wurde eingeschränkt.

Hungrige Raubtiere am Wegesrand

Das Bärenthema beschäftigt Rumänien nach wie vor. Neugierige, hungrige Bären stehen wieder an waldigen Straßen. Fotosüchtige Autofahrer geraten in Gefahr. Die rumänische Autorin und Journalistin Elise Wilk schrieb darüber vor wenigen Monaten in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien Folgendes: „Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die rumänischen Medien über Bären-Vorfälle berichten [...]. Bär und Mensch begegnen sich immer wieder. Abholzung, Wilderei und Lebensraumverlust haben dazu geführt, dass Braunbären bedroht sind.

Um weiterhin als Art zu existieren, sollten sie so weit weg wie möglich von menschlichen Siedlungen leben. Doch wie kann man Vorfälle zwischen Bär und Mensch so weit wie möglich verhindern?“ Elise Wilk hat in Rumänien das „erste und einzige Bärenwaisenhaus im Südosten Europas“ entdeckt. Dessen Gründer, Leonardo Bereczky, genannt Leo, meinte pessimistisch: „Wie kann man Autounfälle verhindern? Indem man kein Auto fährt. Wie kann man Bären-Unfälle verhindern? Indem man keine Bären mehr hat.“ Leo kümmert sich in seiner Bärenstation um kleine Waisenbären, die verloren in den Wäldern – von ihren Bäreneltern entfremdet – gefunden werden. Und ja, er will sie den Menschen entfremden, damit sie nicht in Gefahr geraten.

Die Reise nach Transsylvanien, ins Land meiner Kindheit und auch meiner Erinnerungen an die gequälten Bären, erfolgte auf Einladung des Tourimusministeriums und des Kreisrats Sibiu (dt. Hermannstadt). Man ist bemüht, den ökologischen Fortschritt des Landes auch im Westen Europas bekannt zu machen. Transsylvanien (dt. Siebenbürgen) ist ein Land der Berge, Seen und riesigen Wälder. Hier kann man Bergwandern, Fischen und Jagen, außer Bären gibt es hier auch noch Hirsche, Wildschweine, Wölfe und Fasane. Transsylvanien liegt im Zentrum von Rumänien, eingeschlossen von den Karpaten mit seinen Mythen und Sagen, wo auch Dracula sein Unwesen getrieben haben soll. Eine meist unberührte Natur, die durch viele ökologische Projekte auch erhalten wird und einlädt zu einem besonderen Urlaub.

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