Säkulare Klöster und Widerstandsnester sein

19451960198020002020

Beheimatung in einer pluralen Welt und in der für viele fremd gewordenen Kirche schaffen, ist Aufgabe der Bildungshäuser.

19451960198020002020

Beheimatung in einer pluralen Welt und in der für viele fremd gewordenen Kirche schaffen, ist Aufgabe der Bildungshäuser.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Debatte. Wozu braucht man katholische Bildungshäuser?

Zum Thema: Kath. Bildungshäuser. Die Absicht der Diözese Gurk-Klagenfurt, die Bildungsarbeit im Bildungshaus St. Georgen am Längsee aus finanziellen Gründen einzustellen, sorgte für Aufregung. Gemeinsam mit dem Land Kärnten sucht die Diözesanleitung nun nach einem Konzept, wie man das Haus für zusätzliche Bildungsarbeit nutzen kann.

Der aktuelle Anlass steht Pate für die grundsätzliche Frage nach der Aufgabe katholischer Bildungshäuser. Schwierig war, für die furche-Debatte Kritiker des in vielen Bildungshäusern derzeit praktizierten Konzepts zu finden. Vertreter des Opus Dei und des Linzer Priesterkreises lehnten Kommentare aus Rücksicht auf kirchliche Autoritäten, die Pluralität der Meinungen in den eigenen Reihen und Zeitmangel ab. Die Debatte drohte, keine zu werden, bis doch eine in der Opus Dei-Jugendarbeit Tätige sich für einen Beitrag bereit erklärte. WM Die katholischen Bildungshäuser Österreichs lassen sich nicht über einen Leisten schlagen, sie haben unterschiedliche Konzepte und Programme; gemeinsam ist ihnen eine starke Orientierung an den wechselnden Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, deshalb mag nach außen hin ein Bild der Beliebigkeit entstanden sein.

In den Programmen spiegelt sich der Rückgang des Interesses an kirchlich-theologischen Fragestellungen: zum Thema "Kirche der Zukunft" werden sich Wenige einfinden, die Frage der Reinkarnation füllt Säle und spirituelle Meister sind gefragt. Auch der allgemeine Bedeutungsschwund der Kirchen im öffentlichen Leben schlägt sich nieder: Bildungshäuser sind nicht mehr Kaderschmieden für politische Karrieren. Das mag bedauert werden. Vielleicht aber verbirgt sich in diesen angedeuteten Umbrüchen ein facettenreiches neues Profil, das sich langsam entfaltet.

Bildungsarbeit im Zeitalter virtueller Kommunikation und der damit verbundenen Ortlosigkeit bedarf eines kompetenten Angebotes. Es ist eine Fehleinschätzung, auf die bildende Wirkung des Internets zu setzen. Information ist nur ein unwesentlicher Teil von Bildung, wird diese in einem umfassenden Sinn verstanden. Auch haben Formen virtueller Kommunikation (surfen, chatten, spielen) eine gnostische Schlagseite: Leibliches wird völlig ausgeblendet. Die Menschen bedürfen von ihrem Wesen her der (leiblichen) Begegnung mit dem Du, an dem der Mensch erst zum Ich wird.

Bildungshäuser sind Begegnungsstätten, in denen die Gesellschaft mit der Kirche ins Gespräch kommt über ihre teilweise sehr divergenten Ziele und Wertvorstellungen. Sie müssen Orte qualifizierten Nachdenkens sein. Forschung und Wirtschaft basteln am neuen Menschen, Freiheit und Lebensrechte stehen zur Diskussion, sowie die demokratische Entwicklung im sich einenden Europa; im internationalen Verdrängungswettbewerb geht es um die gerechte Verteilung der Güter, wir stehen in einer weltweiten Migrationsbewegung und es bedarf einschneidender Maßnahmen für das friedliche Zusammenleben der Generationen - um nur einige heiße Eisen zu nennen.

Beheimatung in einer pluralen, indifferenten Welt ist daher eine wesentliche Aufgabe dieser Häuser. Und ebenso Beheimatung in der Kirche, denn die Bildungshäuser sind Stätten der Begegnung mit dieser Kirche - gerade für jene, die in den Pfarren oft keine Heimat haben, weil sie in die zumeist traditionellen gemeindlichen Strukturen nicht hineinfinden - oder daraus ausgezogen sind, weil eine kleine Gruppe Frommer dominiert oder Volkskirche mit Anspruchslosigkeit verwechselt wird.

In Bildungshäusern werden Themen aufgegriffen, die sonst zu kurz kommen würden. Bildungshäuser nehmen sich insbesondere jener Menschen an, die ein ernsthaftes Interesse haben, ihr Leben selbst zu gestalten (das sind in erster Linie Frauen), die besonders in Umbruchssituationen nach Orten Ausschau halten, in denen sie sich gemeinsam mit anderen auf einen Weg ins Ungesicherte machen: das ist eine ausgesprochen wichtige Form des Lernens. Dazu bieten sich seriöse und weniger seriöse Veranstalter als Partner an. Bildungshäuser müssen zu den seriösen zählen. Bildungshäuser werden in Zukunft so etwas wie säkulare Klöster sein, aber auch Widerstandsnester von Menschen, die sich nicht aus der Kirche vertreiben lassen, wenn das Schifflein Petri aus Angst vor neuen Entwicklungen mehr um sich selber kreist als auf das offene Meer segelt.

Von existentieller Bedeutung für die Bildungshäuser ist es, ein je eigenständiges Profil zu entwickeln. Sie werden zu den unverzichtbaren Einrichtungen der Kirche gehören, wenn sie kompetent und konsequent, aber unaufdringlich an der Erneuerung der Kirche mitarbeiten, das heißt, das Antlitz Jesu zum Leuchten bringen.

Der Autor ist Direktor des Bildungshauses Mariatrost - Graz und stellvertretender Vorsitzender des Forums Katholischer Erwachsenenbildung Österreichs.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung