Werbung
Werbung
Werbung

Zunächst eine Vorbemerkung aus aktuellem Anlass: Die neue Basler Vereinbarung der eu zur Eigenkapitalbildung bringt für die Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Banken große Veränderungen mit sich. Mit dieser Vereinbarung werden Ratings vorgeschrieben, von deren Ergebnis die Höhe des Eigenkapitaleinsatzes und die sonstigen Konditionen der Kreditvergabe abhängig sind.

Doch nicht nur die Banken müssen sich umstellen. Besonders gravierend sind die Folgen für die Kreditnehmer, vor allem für mittlere und kleinere Unternehmen. Die Rede ist hier natürlich von Finanzratings und nicht von ethisch-ökologischen Ratings. Dennoch ist es sinnvoll, gerade angesichts dieser Veränderungen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung das ethisch-ökologische Rating ins Gespräch zu bringen und über die Frage der Kapitallenkung durch ethisch-öklogische Ratings nachzudenken.

Was sind Ratings? Beim Finanzrating zum Beispiel werden Unternehmen nach monetären Kriterien wie Sicherheit, Rendite, Laufzeit und so weiter bewertet und die Bewertung mit Hilfe einer Skala abgebildet. Damit wird einem möglichen Investor die Auswahl seiner Anlageobjekte erleichtert. Im Grunde erhält der Investor damit aber durch ein reines Finanzrating keine direkte Information darüber, ob das Unternehmen auch seine Verantwortung angesichts von ethischen Kriterien wahrnimmt.

Das war nie anders, denn es entsprach den Bedingungen, die zwischen Gläubigern und Schuldnern, Kreditgebern und Kreditnehmern seit Beginn der Industrialisierung auszuhandeln waren. Außer der Verpflichtung, das Geld mit Gewinn und pünktlich zurückzuzahlen, wird dem Kreditnehmer keine weitere Verpflichtung auferlegt, obwohl Geld doch eine soziale Institution darstellt, geschaffen von einem Staat und in seinem Wert garantiert durch die Wirtschaftsleistung aller ökonomischen Akteure, von den Arbeitnehmern angefangen über die Unternehmer bis hin zu den Konsumenten.

Allerdings wird mehr und mehr bewusst, dass die Wirtschaftsleistung und letztlich auch die Stabilität des Geldes dadurch gemindert wird, dass bei der Erwirtschaftung von Rendite etwa durch Umweltschäden Kosten verursacht werden, die im Kreditvertrag nicht kalkuliert sind beziehungsweise bewusst ausgeklammert werden. Daher kann man sagen, kamen bisher in keinem Kreditvertrag ethische oder ökologische Wertmaßstäbe als Bedingungen vor. Von daher rührt auch die Sentenz: Geld hat mit Moral nichts zu tun.

Gemessen an den anderen Produktionsmitteln, nämlich Natur und Arbeit, wurde und wird damit dem Geld, dem Kapital eine privilegierte Stellung eingeräumt, die zu den bekannten Umweltzerstörungen, zu sozialen Verwerfungen geführt haben, die mit dazu beigetragen haben, dass ein hohes Potential an sozialen, kulturellen und interkulturellen Konflikten entstanden ist. Das soll sich nun dadurch ändern, dass ethisch orientierte Investoren sich als zivilgesellschaftliche Bewegung formieren und sich auf der Basis von ethisch-ökologischen Ratings mit ihrem Kapital am Markt bewegen. Ethisch-ökologische Ratingagenturen sind also kompetente zivilgesellschaftliche Institutionen, derer sich ethisch orientierte Investoren bedienen und Kapitalflüsse lenken. Grundvoraussetzungen für ein ethisch-ökologisches Rating sind einerseits Bewertungsmaßstäbe und andererseits ein plausibles am Markt wirksames Ratingkonzept.

Der Begriff des ethisch-ökologischen Ratings hat schon eine lange Geschichte. Er ist entstanden, als man sich noch vorrangig um die Erhaltung der natürlichen Mitwelt sorgte, Versicherungen damit begannen, Umweltrisiken in ihre Kalkulationen mit aufzunehmen. Inzwischen ist klar geworden, dass die soziale Mitwelt und die kulturellen Grundlagen in gleichem Maße durch Nichtbeachtung gefährdet sind und sich als Risiken erweisen, wie uns der 11. September gelehrt hat. Nicht nur Naturkatastrophen stellen Risiken dar, auch von Menschen verursachte Katastrophen können ungeheure Schäden hervorrufen. Will also ein ethisch-ökologisches Rating auf diesen Kontext angemessen reagieren, kommt es zunächst auf die Qualität der Kriteriologie an, die einem Ratingkonzept zugrunde liegt.

In Absetzung zu bisherigen Kriteriologien arbeitet der sogenannte Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden, der von mir mitentwickelt wurde, mit drei Hauptkriterien oder Dimensionen, die sozusagen die drei Hauptäste des Wertbaumes bilden, nämlich: 1. Kulturverträglichkeit (kv) 2. Sozialverträglichkeit (sv) und 3. Naturverträglichkeit (nv).

Neben den Bewertungsgrundsätzen sind natürlich Konzept und Methode von Ratings von grosser Bedeutung: In den Anfängen waren ethisch orientierte Investoren daran gewöhnt, ihre Anlageentscheidungen anhand von Ausschlusskriterien zu fällen. Mit Negativkriterien zu arbeiten, machte ja Sinn. Einerseits waren mit ihrer Anwendung spektakuläre Erfolge erzielt worden (Apartheid). Andererseits ist es durchaus nachvollziehbar, dass Investoren sich sehr sicher in ihrer Entscheidung fühlen, wenn sie ihre Anlageentscheidungen nur anhand eines ethischen Kriteriums - oder ganz weniger - fällen, zum Beispiel "keine Investition in Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren oder mit ihnen handeln". Zweifellos spricht einiges für eine solche Vorgehensweise.

Doch können sowohl grundsätzliche als auch pragmatische Gründe dagegen ins Feld geführt werden, seit es im Best-of-class-Rating eine erprobte Alternative gibt. Im Gegensatz zur Prüfung von möglichst vielen Einzelunternehmen nach einer mehr oder minder großen Zahl von Ausschlusskriterien werden beim Best-of-class-Rating möglichst alle Unternehmen einer Branche eingestuft. Das bedeutet, jeder/jede Investor/in kann sich ein Bild darüber verschaffen, wie die Unternehmen je für sich bewertet wurden, also welche Note sie innerhalb einer Skala von A+ als bester Bewertung und D- als schlechtester Bewertung erhalten haben.

Gleichzeitig wird ermittelt, welches der Branchendurchschnitt ist und der Rangplatz eines Unternehmens innerhalb einer Branche festgestellt. Mit anderen Worten: Unternehmen werden anhand einer differenzierten ethischen Kriteriologie in Relation zu ihren Konkurrenten betrachtet. Dabei wird ihnen eine individuelle Note und ein Rangplatz in der Branche zuerkannt. Sobald die Unternehmen einer Branche ihre Bewertung erfahren, fragen sie nach den Gründen für die Einstufung, zum Beispiel: "Warum ist mein Unternehmen in ethischer Hinsicht schlechter eingestuft als das Konkurrenzunternehmen?" Anhand des ausführlichen Branchenreports erhält dann das Unternehmen eine präzise Antwort, was in der Regel dazu führt, dass Unternehmer beziehungsweise Manager sagen: "Das können wir auch. Wir werden die im Vergleich festgestellten Mängel abstellen". Auf diese Weise wird ein ethischer Wettbewerb in die Branchen hineingetragen, durch den zunehmend eine ethische Durchdringung der gesamten Wirtschaft in Gang gesetzt wird. Dieses Verfahren bietet dem Investor nicht nur eine transparente Möglichkeit, ethisch-ökologische Anlageentscheidungen zu treffen. Vielmehr hat seine Anlageentscheidung nach dem Best-of-class-System auch ethisch-ökologische Wirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung, weil mit diesem Verfahren sowohl innerhalb als auch zwischen den Branchen ein ethischer Wettbewerb ausgelöst wird.

Mit anderen Worten: Den Unternehmen wird mit einem marktwirtschaftlichen Mittel, nämlich der Etablierung eines ethischen Wettbewerbs innerhalb der Branchen, die Möglichkeit gegeben, ihre Verantwortung gegenüber Mensch und Mitwelt im eigenen Land und in anderen Kulturen bewusst wahrzunehmen. In diesem Wettbewerb profitieren sich die als geeignete Anlagekandidaten, die sich im umfassenden Sinne an Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten, also in ihren Unternehmen natur-, sozial- und kulturverträglich wirtschaften.

Der Autor ist Moraltheologe und Sozialethiker an der Universität Frankfurt/Main.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung