Schaurige Shows und Schlechtwetterwahlen

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Man konnte fast mitleidig werden mit den honorigen Herren Van der Bellen und Khol, wie sie sich abmühten, einer schaurigen Puls 4-Show gerecht zu werden.

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Man konnte fast mitleidig werden mit den honorigen Herren Van der Bellen und Khol, wie sie sich abmühten, einer schaurigen Puls 4-Show gerecht zu werden.

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Die Vielfalt der potenziellen (Stich)-Wahlsieger war noch nie so groß, das mediale Menü noch nie so üppig angerichtet und so geschmacklos dekoriert wie in diesem Präsidentschafts-Wahlkampf. Da werden im Endspurt eifrig Doppel-Interviews mit Gattin oder Sohnemann arrangiert und Familienanekdoten zum Besten gegeben. Da müssen Kandidaten auf Puls 4 den Hampelmann geben, wie Tafelklässler Zahlen schätzen und mit Kreide aufmalen oder entlassene Zielpunkt-Mitarbeiterinnen binnen 90 Sekunden von ihrer haushohen Palme herunterholen. Man könnte fast mitleidig werden mit den honorigen Herren Van der Bellen und Khol, wie sie sich abmühten, einer grauenvollen Show gerecht zu werden, die nichts mit den Anforderungen an ein Bundespräsidenten-Amt zu tun hat. Jener Kandidat, der wirklich in dieses Kasperltheater gepasst hätte, war ja nicht eingeladen.

Auch abgesehen von der entgleisten medialen Inszenierung hatten die Vertreter der Traditionsparteien nicht viel zu lachen. Während man beim Sozialdemokraten Hundstorfer den Eindruck bekam, der Wahl-Abgekämpfte verlasse sich nunmehr auf den Mitleids-Bonus, versucht es ÖVP-Senioren-Joker Khol bis zum bitteren Ende mit einer gehörigen Portion realitätsverweigerndem Optimismus und wird nicht müde, stolz auf seinen steten Sympathiezuwachs zu verweisen. Der erklärt sich von selbst, denn je niedriger der Ausgangspunkt, umso exponentieller die Khol`sche Sympathiekurve. Gleichzeitig lamentiert der Verfassungsjurist über sein Image als "tiefschwarzer, konservativer Kampfmensch" - danke, schön aufgelegt! - und führt seine prominente Schwiegertochter, RTL-Moderatorin Nazan Eckes, vor, die gleich vorausschickt, dass sie mit dem Schwiegerpapa politisch nicht übereinkommt. Einzig bei Herrn Lugner müsste sich Khol eigentlich bedanken -dank dessen Kandidatur ist ihm zumindest der tröstliche vorletzte Platz sicher.

Mit Tiroler Steilwand-charme in die hofburg

Mit besseren Aussichten gesegnet ist da der neuerdings unabhängige Van der Bellen, der furchtbar gerne Präsident werden will. Aber meint er ernsthaft, mit dem Tiroler Steilwand-Charme, den seine "Heimat"-Plakate versprühen, die Herzen der FPÖ-Kernklientel im Sturm erobern zu können, oder haben die Wahlkampf-Strategen der Grünen einfach mal wieder so richtig daneben gehauen? Mit der Selbsteinschätzung hat er es genauso wenig wie Khol: Die kursierenden "Öbama"-Stickers mit dem Konterfei des Wirtschaftsprofessors sind angesichts dessen Ausstrahlung gelinde gesagt mutig. Selbstironischer ist da schon die prompte Antwort von Quereinsteigerin Griss -nämlich ein "Ömama"-Sticker in derselben Optik mit ihrem Antlitz. Die ehemalige Höchstrichterin wirbelt mit mehr Elan und Eleganz als ihre Mitstreiter über das gefährlich glatte Parkett - wenn sie nicht gerade über ihre politische Naivität oder ein teures Chanel-Halstüchlein stolpert.

Zum Favoriten-Pool zählt aber neben Van der Bellen, der laut Umfragen bei 25 Prozent liegt, und Griss (21 Prozent) vor allem FPÖ-Kandidat Hofer (24 Prozent). Die freundlich-arglose Maske des deutschtümelnden Burschenschafters ist spätestens bei den ORF-Duellen gefallen. Zu evident waren die gehässigen Gesten, die Grimassen, der Geifer gegenüber seinen Mitstreitern. Zum Glück bietet sich allen, die es der Regierung heimzahlen wollen, nicht nur Hofer als Alternative. Bleibt zu hoffen, dass viele seiner potenziellen Wähler diese Wahl als zu unwichtig einstufen, um sich auf den Weg zur Urne zu machen. Es soll ja Schlechtwetter geben am Sonntag. Eine Stichwahl Van der Bellen vs. Hofer würde für das soziale Klima im Land nämlich mehr als bloß sieben Tage Regenwetter bedeuten.

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