Schauspiel des Gleichklangs

Werbung
Werbung
Werbung

Mittlerweile ist es ein Stehsatz: mit der Angelobung der türkis-blauen Regierung im Dezember 2016 hat sich der kommunikative Stil am Ballhausplatz und in den Ministerien merkbar geändert. Es gelten strenge Regeln für die dosierte Weitergabe von Informationen, für die Wahl der häufig gleichen Worte und Bilder und für den Umgang mit Medien allgemein. Als Vorbild dient wohl der präzis geplante, durchchoreografierte und sehr erfolgreiche Wahlkampf von Sebastian Kurz. Ein beachtliches Team aus PR-Profis, Medienberatern und Pressesprechern arbeitet Kommunikationspläne aus, kümmert sich um passende Rahmenbedingungen für öffentliche Auftritte und coacht Bundeskanzler, Vizekanzler und die restlichen Regierungsmitglieder. Aufgeführt wird das Schauspiel einer -im Unterschied zu den Vorgängerregierungen -harmonisch-konstruktiven Zusammenarbeit der aktuellen Koalition, fernab von Missstimmung, Streit und Querschüssen. Konflikte werden -so das politische Signal -gegebenenfalls koalitionsintern gelöst, ohne die Wählerinnen und Wähler mit öffentlich ausgetragenen Querelen zu belästigen. Gerne verwendet werden stattdessen Begriffe wie Gleichklang, Vertrauen oder Team. Das Gelingen einer solchen Inszenierung verlangt ein ausgeprägtes Maß an Disziplin(ierung) und Kontrolle, und bislang halten sich die Regierungsmitglieder an die von der Regierungsspitze ausgegebenen Spielregeln. Dass mehrere unter ihnen politische Quereinsteiger ohne Machtbasis in ihrer Partei und damit hauptsächlich dem Kanzler verpflichtet sind, der sie ausgewählt hat, mag dafür - wie schon mehrmals festgestellt wurde - durchaus hilfreich sein.

Kontrollierte politische Botschaften

Die österreichische Bundesregierung bewegt sich mit ihrer strikten Kommunikationspolitik und den Inszenierungen, in die diese eingebettet ist, auf besonders konsequente Weise im vielzitierten internationalen Trend einer Politik der "Message Control". Gemeint sind damit jene Praktiken zeitgenössischer Medienarbeit, die auf sprachlicher und zunehmend auch visueller Ebene politische Botschaften möglichst kontrolliert an die Öffentlichkeit vermitteln. Zusätzlich liefert "Message Control" auch Anleitungen für die Kommunikation und den Umgang mit (potentiell kritischen) Journalisten.

Bilder spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. "Message Control" bedeutet nicht nur die Kontrolle über verbal vermittelte Botschaften und die gewünschte Wortwahl, sondern auch die Kontrolle über visuelle Kommunikation und die Verbreitung von Bildern. Da Bilder im Unterschied zu Texten einer assoziativen Logik folgen, können sie Facetten einer Botschaft mitteilen, die über Sprache nicht so gut kommunizierbar sind. Diesem Umstand kommt vor allem für das Image-Management von Politikerinnen und Politikern ein besonderer Stellenwert zu. Erwünschte Eigenschaften wie Dynamik, Verantwortungsbewusstsein, Autorität, Fleiß oder Teamgeist werden über Bilder assoziativ vermittelt und über die Präsentation immer wiederkehrender Motive in den jeweiligen Zielgruppen verankert.

Ganz neu ist das natürlich nicht. Politik hatte immer schon eine visuelle Dimension, sie muss sich zeigen, um wahrgenommen zu werden. Beispiele dafür gibt es unzählige, von der Antike über die Renaissance, das Zeitalter des Absolutismus, die Französische Revolution und die nachfolgenden Jahrhunderte bis heute. Der Politologe Murray Edelman hat diesen Aspekt des Politischen bereits in den 1970er-Jahren als dramaturgisches Darstellungshandeln beschrieben und dieses der sogenannten Herstellungspolitik zur Seite gestellt. Digitale Öffentlichkeiten ändern allerdings die Rahmenbedingungen für die Darstellung und die Wahrnehmbarkeit von Politik. Der versierte Einsatz sozialer Medien eröffnet ein zusätzliches Spektrum an Möglichkeiten für kontrollierte politische Kommunikation und begleitende Inszenierungen. Über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Twitter oder das Videoportal YouTube können Politiker unter Umgehung von Journalisten direkt mit ihren Zielgruppen und potentiellen Wählern Kontakt aufnehmen und kommunizieren. Sie können Themen, Inhalte, Sichtweisen, Aktivitäten und ihr Amtsverständnis platzieren und an ihrem Image arbeiten.

Exemplarisch kann hier auf sogenannte "Handout-Fotos" verwiesen werden, auf Bilder, die nicht von unabhängigen Fotojournalisten, sondern von persönlichen Fotografen aufgenommen wurden, die Politiker -insbesondere Spitzenrepräsentanten -begleiten und deren Aufgabe es ist, ihre Auftraggeber ins bestmögliche Licht zu rücken. Diese "Handout-Fotos" werden in mehrfacher Weise verwendet. Zum einen werden sie direkt an klassische Medien weitergegeben, die diese Bilder unkritisch verwenden, kritisch kommentieren bzw. kontextualisieren oder auch gar nicht publizieren können. Wie Redaktionen mit "Handout-Fotos" umgehen, bleibt letztlich ein Unsicherheitsfaktor und wird zunehmend auch selbstkritisch diskutiert. Bilder, die persönliche Fotografen produzieren, werden aber auch direkt über Social-Media-Kanäle der jeweiligen Politiker verbreitet, mit dem Ziel, die Wahrnehmung einer politischen Persönlichkeit mit visuellen Mitteln günstig zu beeinflussen und an ihrem Image zu arbeiten.

Es funktioniert nicht immer

Politik wird also längst nicht mehr nur in der klassischen Medienöffentlichkeit sichtbar. Durch die rasante Zunahme der Bedeutung sozialer Netzwerke auch für die politische Kommunikation verlagert sich das, was politische Akteurinnen und Akteure von sich zeigen wollen, zunehmend ins Internet. In den allermeisten Fällen wählen professionelle Social-Media-Teams aus, was auf den persönlichen Accounts von Politikern gepostet wird. Kaum ein Eintrag geschieht spontan, auch wenn es manchmal so aussehen soll. Was wir letztlich zu sehen bekommen, ist das Ergebnis eines gezielten Auswahlprozesses und hat die Funktion, bestimmte Imagefacetten zu betonen und die dargestellte Person auf der politischen Bühne ins gewünschte Licht zu rücken. Wenn klassische Medien diese Bilder - oft auch aus Gründen mangelnder finanzieller und personeller Ressourcen -unhinterfragt übernehmen und weiterverbreiten, anstatt auf Bildmaterial zurückzugreifen, das von unabhängigen Fotojournalisten erstellt wurde, dann tragen sie zum Gelingen der jeweiligen Inszenierung bei.

Professionelle "Message Control" funktioniert allerdings nicht immer, wie derzeit am Beispiel der medialen Berichterstattung über Kontakte von hochrangigen Parteifunktionären der FPÖ zu Vertretern der Identitären und anderen rechtsextremen Gruppierungen deutlich wird. Die Regierung bemüht sich um verbale Abgrenzung und Schadensbegrenzung und versucht -entgegen der offensichtlichen und bereits seit Langem bekannten Faktenlage -den Anschein zu erwecken, der Juniorpartner in der Koalition hätte mit Rechtsextremen nichts zu tun oder wolle zumindest jetzt nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Die wiederholte Verwendung von Bezeichnungen wie "widerlich" oder "widerwärtig" für die Identitären wird jedoch nicht ausreichen, um diese Affäre aus der Welt zu schaffen. Die beiden Adjektive wurden übrigens bereits Anfang des Jahres 2018 im Zuge der sogenannten "Liederbuchaffäre" als Sprachregelung ausgegeben, unter Bezugnahme auf die in den Gesangsbüchern einiger Burschenschaften enthaltenen antisemitischen, rassistischen Texte. Nachhaltige politische Konsequenzen wurden aus der "Liederbuchaffäre" nicht gezogen. Auch das schwächt die Glaubwürdigkeit aktueller Beteuerungen. Souveräne politische Kommunikation sieht anders aus.

Der Autorin ist Privatdozentin für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören visuelle Politik u. politische Kommunikation

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung