Schockierende Bekenntnisse
Pfarrer Henk Landman, gebürtiger Holländer und seit 1964 in der Pfarre "Namen Jesu" in Wien-Meidling tätig, über Euthanasie in den Niederlanden und die Reaktionen in seiner Wiener Pfarrgemeinde.
Pfarrer Henk Landman, gebürtiger Holländer und seit 1964 in der Pfarre "Namen Jesu" in Wien-Meidling tätig, über Euthanasie in den Niederlanden und die Reaktionen in seiner Wiener Pfarrgemeinde.
die furche: Sie kamen 1953 nach Wien. Sind Sie schockiert über die Euthanasie-Gesetze Ihrer ehemaligen Landsleute?
Landman: Ich bedaure außerordentlich diese Entwicklung und halte sie für absolut falsch. Das ist kein Weg, die Probleme der älteren Menschen zu lösen. Eine Sterbebegleitung ist die Lösung: mit viel Liebe, Geduld und Palliativmedizin. Davon bin ich überzeugt. Denn das Gesetz des Lebens soll gelten, vom Anfang bis zum Ende. Wir haben einfach nicht das Recht, das Leben gewaltsam zu beenden. Gott hat uns das Leben gegeben und einmal wird es uns dann genommen. Menschen, die leiden, soll man mit viel Liebe und Geduld und der besten medizinischen Hilfe begleiten, bis zu einem natürlichen Tod. Man muss aber auch hinzufügen, dass es nicht sehr sinnvoll ist, mit allen möglichen Mitteln das Leben zu verlängern.
die furche: Sind die Holländer die einzigen, die Euthanasie richtig finden?
Landman: Man muss eines ehrlich sagen: Auch hier in Österreich wird darüber nachgedacht. Ich habe mich sehr gewundert, dass selbst Angehörige meiner Pfarrgemeinde in Wien, von denen ich es absolut nicht erwartet hätte, gesagt haben: "So sollte es auch bei uns sein." Eine ähnliche Regelung wird ja auch in Belgien vorbereitet. Das heißt: Den Gedankengang gibt es nicht nur in Holland! Das Land hat eine äußerst liberale Gesellschaft und eine liberale Politik. Das hat aber bestimmte Hintergründe: In den fünfziger Jahren, als ich Holland verlassen habe, war das Land eine Drittelgesellschaft: Ein Drittel war katholisch, ein Drittel evangelisch, ein Drittel gehörte keiner Kirche an beziehungsweise anderen Religionen. Sowohl die katholische, als auch die protestantische Bevölkerung war calvinistisch geprägt und sehr streng. Wir sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, die sehr rigide und sehr starr war. In den sechziger Jahren hat sich die Katholische Kirche das Konzil gegeben und in der Folge kam es zu diesen Befreiungsideen und den zunehmenden Liberalismus.
die furche: Ein Pendeln zwischen den Extremen?
Landman: Das betrifft auch die Legalisierung der Homosexuellen-Ehe. Ich bin dafür, dass Homosexuelle ihre Sexualität leben; aber ich lehne eine Trauung und eine Adoption von Kindern absolut ab.
die furche: Wie würden Sie heute Ihre alte Heimat beschreiben?
Landman: Holland war immer ein sehr offenes Land, was auch mit seiner Geschichte, vor allem der Kolonialisierung, zusammenhängt. Menschen, die aus anderen Ländern und Kontinenten kommen, werden sehr liberal behandelt, sowohl von der Bevölkerung als auch von der Gesetzgebung. Vor allem diese Wende in Richtung Liberalität hat zu einer starken Säkularisierung und Abkehr von der Kirche geführt. Aber, und auch das gehört dazu: es gibt in Holland sehr lebendige und blühende Gemeinden.
Das Gespräch führte Christine Weeber.
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