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Wenn nicht alles täuscht, entsteht in diesem Land doch noch so etwas wie eine richtige Bildungsdebatte.

Fast hätte man schon glauben können, es gäbe in diesem Land kein drängenderes Problem als den öffentlichen Nikotinkonsum. Aber so funktioniert eben Politik unter den Bedingungen medial gesteuerter Erregung: ein Land und eine Zeitung gleichen Namens als Symbol.

Zuletzt aber sind durch den Dunst der Rauchschwaden hindurch Konturen einer Bildungsdebatte sichtbar geworden. Sie hat sich, nicht zum ersten Mal, an der "Gesamtschule" entzündet, einem Begriff mit - siehe oben - extrem hohem Erregungspotenzial. Vordergründig betrachtet tritt diese Kontroverse seit drei Jahrzehnten auf der Stelle - "und täglich grüßt das Murmeltier". Befürworter wie Gegner haben, so könnte man meinen, längst alle Argumente ausgetauscht, die bei Bedarf jederzeit aus dem Stehsatz geholt und via Parteiaussendung verschossen werden können.

Bei Licht besehen hat sich die Diskussion aber doch weitergedreht. "Gleichmacherei" und "Nivellierung nach unten" waren die zentralen Vorwürfe gegen die Gesamtschule. Nicht zu unrecht, galt doch der traditionellen Sozialdemokratie das gepflegte kollektive Mittelmaß als Garant gegen per se verdächtige "Eliten", "Leistungsträger" und dergleichen mehr. Mittlerweile hat sich das Verhältnis österreichischer Sozialdemokraten - nicht aller, aber vieler - zum Thema Leistung deutlich entspannt, das Wort Alfred Gusenbauers von der "solidarischen Hochleistungsgesellschaft" mag dafür als Indiz gelten. Solche Sicht der Dinge ist vielleicht noch nicht bis in die letzten Winkel der einzelnen Bezirksgruppen durchgedrungen, aber der Mentalitätswandel ist nicht zu leugnen.

Auf der anderen Seite weiß auch die Volkspartei - nicht immer, aber immer öfter -, dass nicht jede Diskussion um die gerechte Verteilung von Chancen in der Bildungspolitik und anderswo gleich "Klassenkampf" bedeutet.

Beide Parteien tragen damit letztlich nur dem Wandel der Gesellschaft Rechnung, der durch Individualisierung und Differenzierung, durch das Verschwimmen der Grenzen zwischen scheinbar festgefügten Milieus, durch die Auflösung fixer (sozialer, ideologischer, parteipolitischer Bindungen) gekennzeichnet ist. Einer solchen Gesellschaft entspricht ein klares Bekenntnis zu Leistung; sie muss ihre besten Begabungen nach Kräften fördern, und sie muss jedem und jeder einzelnen die bestmöglichen Rahmenbedingungen bieten, die je eigenen Talente zu erkennen und zu entwickeln. Und ihr entspricht die Einsicht, dass Begabungen nicht per se bestimmten (Wiener) Bezirken oder Berufsgruppen der Eltern zuordenbar sind.

Dabei geht es nicht primär um den Wirtschaftsstandort (den auch, aber in einer abgeleiteten Form), sondern, pathetisch gesprochen, um den Respekt vor der Würde des Menschen, der Autonomie des Subjekts.

Davon ausgehend, ist man sehr schnell bei der Frage, wie Schule heute organisiert sein muss; denn hier geht es ja nicht um irgtendeinen Nebenschauplatz, sondern um das Zukunftslabor einer Gesellschaft. Da wird man zunächst feststellen können, dass der gegenwärtige Zustand alles andere denn befriedigend ist, entgegen der Behauptung, das "differenzierte Schulsystem" habe sich bewährt: Wir haben, das weiß und sagt auch inzwischen fast jeder, auf dem Land Gesamtschulen mit Binnendifferenzierung in Form der Hauptschulen - und in den Städten Gesamtschulen ohne Binnendifferenzierung in Form der AHS und daneben noch (Ausländer-)Ghettoschulen in Form der Hauptschulen.

Auf Dauer kann das in den Städte nicht gutgehen, während es in den ländlichen Gebieten meistens funktioniert. Also müsste man sich die besten dieser ländlichen Hauptschulen ansehen und überlegen, was man an ihnen noch verbessern und schließlich für die Städte davon lernen könnte. Dort wird es dann freilich, aufgrund der höheren Komplexität und Heterogenität der Bevölkerung, um einiges schwieriger, d. h. ressourcenintensiver und daher teurer werden. Eine einfache Zusammenlegung von AHS und Hauptschulen in den Städten kann nicht funktionieren, da wird noch viel Wasser die Donau, Mur etc. hinunterfließen müssen. Aber die Dinge sind in Fluss …

rudolf.mitloehner@furche.at

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