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Das Sozialwort als Anstoß für die Politik? Ja, etwa in der 23.000 Einwohner zählenden Stadt Mödling bei Wien, wie Sozialstadtrat stephan schimanowa erzählt.

Die Furche: Was für soziale Probleme gibt es in Mödling?

Stephan Schimanowa: In der kalten Jahreszeit sind es vor allem drohende Obdachlosigkeit bzw. Delogierungen. Immer mehr Mödlinger und Mödlingerinnen können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten. Ein wachsendes Problem sind Sucht und Drogen - das ist für uns eine sehr große Herausforderung auch aufgrund des Schulstandortes, der wir sind. Und dazu kommt auch eine kontinuierlich wachsende Arbeitslosigkeit.

Die Furche: Mödling, im "Speckgürtel" von Wien, gehört doch zu den reichen Gemeinden?

Schimanowa: Auf den ersten Blick stimmt das, aber es ist in Mödling wie anderswo: die Stadt wird gleichzeitig reicher und ärmer. Es gibt sehr reiche Mödlinger, es ziehen Leute zu uns, die sagen, hier ist eine gute Lebensqualität, anderseits merken wir: Armut und Armutsgefährdung steigen.

Die Furche: Wie sind Sie da aufs Sozialwort der Kirchen gestoßen?

Schimanowa: Bei mir ist es eine persönliche Verbundenheit mit den Kirchen, da ich immer - und das sage ich bewusst auch als Sozialdemokrat - kirchlich engagiert war. Es war die Idee der katholischen und evangelischen Gemeinden in Mödling, das Sozialwort der Kirchen aufzugreifen und eine Veranstaltungsreihe zu machen, um der Selbstverpflichtung, die im Sozialwort formuliert ist, entgegenzukommen.

Die Furche: Was bedeutet das Sozialwort für Sie als Politiker?

Schimanowa: Erstens hat mir der Prozess seiner Entstehung sehr gut gefallen. Zweitens will ich meine Verantwortung als Christ auch in der Politik wahrnehmen. Drittens enthält es wichtige kritische Impulse für die Politik. Viertens merke ich bei der Erstellung unseres sozialpolitischen Leitbildes, dass die Kirchen, wenn man sie einbindet, Sozialpolitik und soziales Engagement auch in der Kommune tragen.

Die Furche: Was ist unter diesem sozialpolitischen Leitbild zu verstehen?

Schimanowa: Wir sehen, dass wir bei den genannten sozialen Herausforderungen mit gängigen Politikkonzepten nicht mehr weiterkommen. Da hat mich der Prozess der Erstellung des Sozialwortes beeindruckt. Analog haben wir gesagt: Wie schaffen wir es, soziale Arbeit und Sozialpolitik in Mödling so umzubauen, dass sie die Herausforderungen auch packen. Da haben wir uns gemeinsam mit den sozialen Vereinen und Institutionen in Form von Zukunftswerkstätten zusammengesetzt, um zu schauen, was fehlt, was wir brauchen - und daraus wird ein politisches Konzept erarbeitet: ein Leitbild fürs sozialpolitische Handeln der nächsten fünf Jahre, also bewusst über die Gemeinderatswahlen im März 2005 hinaus. Sozialpolitik soll also von Vereinen, Institutionen, Kirchen, die ja eigentlich die Expertinnen und Experten sind, getragen werden.

Die Furche: Wie läuft das ab?

Schimanowa: Wir haben vor dem Sommer eine Ist- und eine Soll-Analyse gemacht. Jetzt fassen wir die Ergebnisse zusammen und formulieren das Ganze aus. Anfang März soll der Prozess beendet sein, sodass der neue Gemeinderat das Papier auf dem Tisch hat. Ziel ist, das Konzept in Form eines Gemeinderatsbeschlusses zur politischen Leitlinie der Stadt Mödling zu machen.

Die Furche: Hat sich durch diesen Prozess schon konkret etwas verändert?

Schimanowa: Durch die Erstellung des sozialpolitischen Leitbildes wurde eine bestimmte Professionalität in die Politik hineingetragen, Professionalität in dem Sinn, dass man die einbindet, die in der Sache aktiv sind; diese Professionalität dient anderen Referaten der Stadtgemeinde als positives Beispiel.

Die Furche: Das klingt auch danach, die Zivilgesellschaft und die politisch Handelnden besser zu verbinden.

Schimanowa: Das ist ein Hauptziel. Wir in der Politik sind zunehmend mit Hilflosigkeit konfrontiert - gerade im sozialpolitischen Bereich, wo sehr viel über finanzielle Hilfe läuft: Oft, wenn ich Sprechstunde hab, kann ich den Leuten nur mehr Mut zusprechen. Wir müssen da gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Möglichkeiten schaffen, mit dieser politischen Hilflosigkeit umzugehen und jedenfalls die Hilfe sicherzustellen, die benötigt wird.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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