Plastik - © Foto: iStock/Kemter

Sechs Tipps, um Plastikmüll zu vermeiden

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Weihnachtszeit ist Geschenkezeit. Damit einher geht ein massiver Anstieg an Verpackungsmaterial. Das meiste davon ist Plastik, wie überquellende Müllcontainer zeigen. Was dagegen tun?

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Weihnachtszeit ist Geschenkezeit. Damit einher geht ein massiver Anstieg an Verpackungsmaterial. Das meiste davon ist Plastik, wie überquellende Müllcontainer zeigen. Was dagegen tun?

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Was kann man gegen Plastikmüll tun, der vor allem in der Weihnachtszeit wieder aufkommt. Sechs Tipps.

Globale Anti-Plastik-Impfung ist nötig

Zwischen den Versuchen einer Eindämmung der Plastikflut in die Weltmeere und der Corona-Pandemie gibt es eine auffällige Parallele: Solange es nicht weltweit ausreichende Impfkampagnen gibt, so lange wird sich das Virus in immer neuen Varianten ausbreiten können. Auch bei der Bekämpfung der pandemischen Plastikschwemme braucht es globales Handeln: Nur 20 Flüsse der Welt sind für zwei Drittel der Verschmutzung verantwortlich, darunter große asiatische Flüsse wie der Jangtse, der Ganges und der Mekong. Dazu kommen der Amazonas und die nigerianischen Flüsse Cross, Imo und Kwa Ibo.

Es ist kein Zufall, dass unter den plastikverseuchten Flüssen kein einziger aus dem globalen Norden ist. Einer der Hauptgründe für diese „End of Life“-Krise von Kunststoffen in den Entwicklungs- und Schwellenländer ist die fehlende Infrastruktur für die Entsorgung von Plastik. Internationale Non-Profit-Organisationen wie die „Alliance to End Plastic Waste“ oder „Plastic Bank“ bauen Sammelsysteme derzeit vor allem noch in Küstengemeinden Asiens auf und versuchen damit, mehrere Probleme gleichzeitig zu lösen: Plastikmüll verringern, die Materialien zur Wiedereinführung in die globale Produktionslieferkette aufbereiten und ein geregeltes Einkommen für die Plastiksammlerinnen und -sammler schaffen.

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Bei Herstellung an Recycling denken

Die EU-Kommission gibt vor, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar oder recyclingfähig sein sollen. Diese Quote erfüllen zu können, wird dadurch erschwert, dass viele Verpackungen aufgrund ihrer Zusammensetzung oder ihres Designs nur sehr schwer oder gar nicht recycelt werden können. Laut einer 2017 vom Aachener Forschungsinstitut cyclos-HTP gemachten Studie über die Recyclingfähigkeit von Plastikmüll aus Gelber Tonne und Gelbem Sack war rund ein Drittel davon für Recycling ungeeignet.

Materialmix, Plastikvielfalt und Zusatzstoffe verhindern oft die Wiederverwertung. Als Recyclingalbtraum gilt ein Joghurtbecher mit AluDeckel und Pappbanderole.

Vor allem drei Gründe verhindern die Wiederverwertung im geschlossenen Wertstoffkreislauf: Materialmix, Plastikvielfalt und Zusatzstoffe. Als Recyclingalbtraum gilt ein Joghurtbecher mit Aluminiumdeckel und Pappbanderole. Fruchtgummisackerl wiederum können bis zu zwölf Plastiksorten enthalten, die unterschiedliche nützliche Eigenschaften besitzen, aber nicht mehr getrennt werden können, so bleibt nur Verbrennen. Weitere Recyclingbremser sind Klebstoffe, mit denen Etiketten befestigt werden. Dunkle Kunststoffe sind beim Recyclingprozess ebenfalls problematisch, da sie von Sortiermaschinen nur schwer erkannt werden. Gelöst werden können diese Probleme durch „Design for Recycling“: Bei Planung und Herstellung muss das recyclingfähige Ende mitgedacht werden.

Öl aus Plastik, oder zurück an den Anfang?

Seit 2018 betreibt die OMV eine Pilotanlage in Schwechat, in der pro Stunde rund 100 Kilogramm geschredderter Plastikabfall in 100 Liter synthetisches Rohöl umgewandelt werden. Heureka! Die Meldung über diese sogenannte ReOil-Anlage liest sich wie die perfekte Lösung für alle Müllprobleme und die Rohstoffgewinnung gleichzeitig. Laut den OMV-Technikern sei die Qualität ihres Produkts aus dem ReOil-Prozess ausgezeichnet: „Wir bekommen hier am Ende ein so sauberes, hochwertiges Produkt, dass man es mit dem besten Rohöl vergleichen kann.“

Für die Rückgewinnung muss man den Kunststoff auf über 400 Grad Celsius erhitzen. Bei dieser Temperatur werden die langen Kunststoffmolekülketten depolymerisiert (also zerkleinert bzw. zerlegt), und es entsteht synthetisches Rohöl. So einfach dieses Prozedere in der Theorie klingt, so schwierig lässt es sich in der Praxis umsetzen. Unter anderem liegt das daran, dass Kunststoffe schlechte Wärmeleiter sind. Mittlerweile hat sich der Konzern das ReOil-Verfahren weltweit patentieren lassen. Ab 2023 soll eine Demo-Anlage mit 16.000 Tonnen Jahreskapazität gebaut werden. Umweltorganisationen sehen diese Form des chemischen Recyclings jedoch skeptisch. Statt ReOil-Prozesse präferieren sie Vermeidung, mehrmalige Verwendung und mechanisches Recycling.

Wunderwaffe chemisches Recycling?

Chemisches Recycling gilt in der Kunststoffbranche als neue und wichtige Ergänzung zum mechanischen Recycling. Zum einem soll es das Recycling von Kunststoffen ermöglichen, für die es noch keine oder unbefriedigende Recyclinglösungen gibt. Dazu gehören Abfallströme aus unterschiedlichen Kunststoffen oder mit Verunreinigungen und Kunststoffe, die nicht effizient sortiert werden können. Chemisches Recycling trage dazu bei, die Plastikabfälle zu reduzieren, die auf Deponien landen oder thermisch verwertet werden. Zudem könnten daraus neue Produkte entstehen, die den höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden. Chemisches Recycling, die lange gesuchte Wunderwaffe gegen Plastikmüll?

Mit Mikroorganismenmix im Pansen von Rindern konnten Wiener und Grazer Forscher Erfolge beim Zersetzen von Plastik erzielen.

Mitnichten, sagt die Deutsche Umwelthilfe gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschland und anderen europäischen Umweltorganisationen. Die Wunderwaffe erweise sich als gefährliche „smoking gun“: Die Ökobilanzen von chemischem Recycling ließen zu wünschen übrig. Das Verfahren sei mit sehr hohem Energieaufwand verbunden, und die Qualität des Outputs entspreche nicht den Erwartungen. Fazit: „Wir müssen uns stärker auf schon heute wirksame Methoden wie das mechanische Recycling konzentrieren und nicht auf komplexe, ungewisse Technologien, die sich am Ende als Nebelkerzen herausstellen.“

Zukunftsmusik Barcode und Kuhpansen

Digitale Wasserzeichen sollen ein genaueres Erkennen und intelligentes Sortieren von Verpackungsmaterialien in Recyclinganlagen ermöglichen. Die Technologie basiert auf dem bekannten EAN/Barcode-Prinzip. Diese Barcodes werden sooft wie platztechnisch möglich und für das bloße Auge nicht erkennbar in das Verpackungsmaterial eingebracht. Entsprechend ausgerüstete Sortieranlagen können die einzelnen Verpackungsstoffe aufgrund ihrer jeweiligen Codes dann sortenrein trennen.

Mit einer chemischen Form des Plastikrecyclings auf natürlicher Basis spielen wiederum Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology in Graz und der Universität für Bodenkultur in Wien Recyclingzukunftsmusik: Mit dem Mikroorganismenmix, der im Pansen von Rindern für die Aufbereitung pflanzlicher Nahrung sorgt, konnten sie Erfolge beim Zersetzen von Plastik erzielen. Mit der Flüssigkeit aus dem Rindermagen können gleich drei verschiedene Polyester in ihre Grundbestandteile zerlegt werden. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Herangehensweise grundsätzlich funktioniert. Bis zum industriellen Recyclingeinsatz sei noch viel Forschungsarbeit notwendig, hieß es, aber „aufgrund der großen Mengen an Pansen, die täglich in Schlachthöfen anfallen, wäre eine Hochskalierung leicht vorstellbar“.

Mit Schulmilch Recycling lernen

In der Europäischen Union wurden 2019 laut Eurostat rund 41 Prozent aller Verpackungsabfälle aus Kunststoff recycelt. Österreich liegt mit einer Wiederverwertungsquote von 31 Prozent (wie bereits 2017) weit unter dem EU-Schnitt an viertletzter Stelle aller EU-Staaten. Neun Mitgliedsstaaten recycelten über 50 Prozent der erzeugten Kunststoffverpackungsabfälle, Spitzenreiter ist Litauen mit 70 Prozent.

Österreich liegt mit einer Wiederverwertungsquote von 31 Prozent weit unter dem EU-Schnitt an viertletzter Stelle. Spitzenreiter ist Litauen mit 70 Prozent.

Mit einer chemischen Form des Plastikrecyclings auf natürlicher Basis spielen wiederum Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology in Graz und der Universität für Bodenkultur in Wien Recyclingzukunftsmusik: Mit dem Mikroorganismenmix, der im Pansen von Rindern für die Aufbereitung pflanzlicher Nahrung sorgt, konnten sie Erfolge beim Zersetzen von Plastik erzielen. Mit der Flüssigkeit aus dem Rindermagen können gleich drei verschiedene Polyester in ihre Grundbestandteile zerlegt werden. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Herangehensweise grundsätzlich funktioniert. Bis zum industriellen Recyclingeinsatz sei noch viel Forschungsarbeit notwendig, hieß es, aber „aufgrund der großen Mengen an Pansen, die täglich in Schlachthöfen anfallen, wäre eine Hochskalierung leicht vorstellbar“.

Mit Schulmilch Recycling lernen

In der Europäischen Union wurden 2019 laut Eurostat rund 41 Prozent aller Verpackungsabfälle aus Kunststoff recycelt. Österreich liegt mit einer Wiederverwertungsquote von 31 Prozent (wie bereits 2017) weit unter dem EU-Schnitt an viertletzter Stelle aller EU-Staaten. Neun Mitgliedsstaaten recycelten über 50 Prozent der erzeugten Kunststoffverpackungsabfälle, Spitzenreiter ist Litauen mit 70 Prozent.

Das schlechte Abschneiden Österreichs zeigt, wie wichtig es ist, hierzulande Kreislaufwirtschaft von Kindesbeinen an in den (Schul-)Alltag zu integrieren. Ein Schulmilchprojekt in Oberösterreich zeigt es vor: 100 Prozent Recyclingfähigkeit und ein geschlossener Kreislauf wurden als Ziel des Projekts definiert, mit dem der Biolandwirt Johann Strobl aus Mondsee an oberösterreichische Kunststoffunternehmen herangetreten ist. Den strengen Verordnungen und Hygienebestimmungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit galt es ebenfalls gerecht zu werden. Beides wurde erreicht. Seit Ende des Vorjahrs liefern Strobl und weitere Schulmilchbauern ihre Milch in Bechern aus hundert Prozent recyceltem PET. Nach der Jause werden die Becher eingesammelt und im Austausch mit neuen Bechern abgeholt, geschreddert, gewaschen und zu einer neuen PET-Folie weiterverarbeitet.

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