"Sehr geehrte Damen und Herren ..."

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Sie sind keine radikalen Feministinnen und keine Emanzen, haben aber ein ähnliches Ziel - die Gleichberechtigung. Für die Mitglieder der Internationalen Föderation der Akademikerinnen ist eines klar: Was immer die Zukunft bringt, die Frauen werden sich daran beteiligen.

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Sie sind keine radikalen Feministinnen und keine Emanzen, haben aber ein ähnliches Ziel - die Gleichberechtigung. Für die Mitglieder der Internationalen Föderation der Akademikerinnen ist eines klar: Was immer die Zukunft bringt, die Frauen werden sich daran beteiligen.

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Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder zweite Geschäftsbrief beginnt leichtfertig mit dieser Floskel. Lassen wir es uns doch noch einmal auf der Zunge zergehen: Sehr geehrte Damen und Herren...

Nur selten wird diesen einleitenden Worten Beachtung geschenkt. Unbedeutend und unauffällig stehen sie am Beginn der Geschäftskorrespondenz. Und trotzdem verbirgt diese oft verwendete Anrede - es handelt sich ja nicht einmal um einen ganzen Satz - eine Rarität, möglicherweise sogar etwas Einmaliges. Im Gegensatz zur sonstigen Situation der Frauen im Berufsleben, stehen sie in diesem Zusammenhang vor ihren liebenswerten männlichen Kollegen. Doch dabei bleibt es zumeist auch schon.

Oben genannte Zeilen gehen in den häufigsten Fällen nämlich nur an Sekretärinnen vorüber, um schließlich fein säuberlich am Schreibtisch des Chefs zu laden - wo ihnen dann die nötige Beachtung geschenkt wird. Nicht, daß hiermit die Tätigkeit von "Chefassistentinnen" in Frage gestellt werden soll. Zumeist folgt ihnen ja der Ruf, "den Laden zu schupfen" oder "die Fäden zu ziehen". Das Problem liegt nur darin, daß sie oft "unersetzliche" Arbeit leisten, mehrstellige Geldbeträge jedoch zumeist nur auf den Gehaltszetteln ihres Vorgesetzten bewundern können.

Auch wenn hierzulande der Fall von Andrea und Andreas kürzlich vor dem Obersten Gerichtshof möglicherweise eine kleine Wende eingeleitet hat, bleibt doch die Frage: Warum muß sich eine Frau, die die absolut selbe Tätigkeit verrichtet wie ihr gleichqualifizierter Kollege, durch mehrere Instanzen kämpfen, bis auf ihrem Gehaltskonto monatlich derselbe Betrag ausgewiesen wird.

Wie bei zahlreichen Sexualdelikten (sie hätte eben nicht einen so kurzen Rock tragen dürfen) sollte vorerst auch im oben genannten Fall der Frau die Schuld zugewiesen werden. Mit ungleichen Gehaltsvorstellungen beim Bewerbungsgespräch, versuchte der Arbeitgeber die ungerechte Bezahlung zu begründen. Über zwei Instanzen ist es ihm gelungen, erst vor dem Obersten Gerichtshof ist er gescheitert. Außerdem wäre es falsch, wegen einer Entscheidung in die richtige Richtung gleich den Boden unter den Füßen zu verlieren. Gegen Tradition, Kultur und Dummheit scheint eben doch noch kein Kraut gewachsen zu sein. Keines jedenfalls, außer dem der Eigeninitiative.

Andrea, die ihre Leistungen im Bewerbungsgespräch als weit weniger wertvoll eingeschätzt hat, ist kein Einzelfall. "Frauen verkaufen sich viel zu schlecht", meinen zahlreiche Personalchefs aus ihrer Erfahrung bei Bewerbungssituationen. So würden Frauen auf die Frage nach ihren Stärken und Schwächen im Gegensatz zu den Männern meistens mit dem Aufzählen ihrer Schwächen beginnen.

"Wir müssen die kleinen Fortschritte in den Vordergrund heben und beginnen positiv zu denken", meinte auch eine Norwegerin vor kurzem bei einem internationalen Frauentreffen in Graz. "Unsere Hauptaufgabe ist das Marketing in eigener Sache." Daß das nicht von heute auf morgen funktioniert ist leicht zu verstehen. Doch es gehört daran gearbeitet. Und das ist das Ziel von mehr als 180.000 Frauen, die sich - sei es lokal, national oder international - für die Verbesserung der Situation der Frau einsetzen.

Globale Vereinigung Sie alle gehören zu einem der 67 nationalen Verbände der Internationalen Föderation der Akademikerinnen (IFUW-International Federation of University Women). Als global denkende, generationsübergreifende Vereinigung nimmt die IFUW einen beratenden Status bei den Vereinten Nationen und anderen internationalen Gremien ein.

Mehr als 800 Mitglieder trafen sich in den vergangenen Wochen zur 26. Triennial Conference der IFUW in der steirischen Hauptstadt Graz. In bunte Tücher gehüllte Nigerianerinnen nahmen Platz neben Japanerinnen, Neuseeländerinnen und Inderinnen. An kleinen weißen Schildern hatte jede ihre Herkunft notiert, doch in Wahrheit ging es ihnen um "alle Frauen der Welt". Gemeinsam wurde in manchmal fließendem, dann wieder eher gebrochenem Englisch über die Entwicklungen der letzten drei Jahre berichtet, diskutiert und für das nächste Triennium geplant. Ausgehend von dem umfangreichen Programm und den zahlreichen Initiativen könnte man meinen, es handle sich bei den aktiven Teilnehmerinnen um junge Frauen kurz nach Vollendung des Studiums. Doch in den Veranstaltungsräumen des Grazer Kongresses fanden sich vor allem grauhaarige Damen ein, die von ihren Töchtern wußten, daß sich seit ihrer Kindheit zwar einiges, aber noch immer zu wenig getan hat.

Bei der vergangenen Konferenz in Jokohama haben sich die Mitglieder entschieden, unter dem Motto von 1992 "Die Zukunft der Frauen - Die Zukunft der Welt" weiterzuarbeiten. Als besondere Herausforderung setzten sie sich damals den Schwerpunkt "Ausbildung für Überleben und Fortschritt". "Ausbildung ist nicht ein Privileg, sondern ein grundlegendes Recht", heißt es in der Zusammenfassung ihrer Forderungen für Graz. "Unter Ausbildung verstehen wir jedoch nicht nur das Training in beruflichen Bereichen, sondern ein Beleben des Geistes durch die Beschäftigung mit neuen, herausfordernden Ideen." Für die diesjährige Versammlung haben sie sich einiges vorgenommen. Steht doch die World Conference on Higher Education ins Haus, die Anfang Oktober von der UNESCO in Paris veranstaltet wird.

In einem der zahlreichen Seminare und Workshops wird über die nötigen Voraussetzungen am Arbeitsmarkt im 21. Jahrhundert diskutiert. Schon zu Beginn dieses Jahrhunderts waren sich die Gründerinnen des IFUW, drei jüdische Akademikerinnen, darüber im klaren, daß sie aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Qualifikation einen Vorteil gegenüber anderen genießen. Verantwortungsbewußt haben sie damals beschlossen, in Vertretung für all jene, denen diese Möglichkeiten nicht offen stehen, für eine Verbesserung der Situation aller Frauen einzutreten.

So steht heute für die Mitglieder Verbindung durch Ausbildung im Vordergrund. "Wir müssen in die Vergangenheit blicken, um uns Mut für die Zukunft zu holen", meinte die Kanadierin Anne Marie Driscoll bei einem der zahlreichen Seminare und Workshops. Gemeinsam mit zehn anderen Frauen besuchte sie eine Fortbildungsveranstaltung zum Umgang mit neuen Technologien. "Bei der Arbeit mit den Computern wurde uns bewußt, mit wie vielen technischen Geräten unsere Mütter und Großmütter eigentlich konfrontiert wurden und wozu diese Frauen vor allem in Zeiten der Kriege fähig waren", weckt sie Erinnerungen bei ihren Kolleginnen. Heute sei vor allem der Computer die Eingangstür zur Arbeitswelt.

Mitten im Wandel "Die Geschichte verändert sich vor unseren Augen", meint die engagierte Mitvierzigerin, "und wir dürfen daran teilnehmen." Gemurmel unter den Zuhörerin. Doch die Argumente von Driscoll rufen keinen Widerstand hervor, vielmehr melden sich Frauen zu Wort, die neben den neuen Technologien noch weitere Faktoren einbringen wollen: Die Art der Kreditvergabe zum Beispiel. So meint eine Neuseeländerin, daß vor den Bankschaltern Frauen und Männer noch lange nicht gleichgestellt wären. "In meiner Heimat", erzählt dazu eine Britin, "bekommen Frauen schon einen Kredit, um sich selbständig zu machen. Zuerst müssen sie jedoch beweisen, daß sie auch weiterhin uneingeschränkt für Mann und Kinder sorgen können." Die Meldungen werden impulsiver. Ungeduldig winkt eine Teilnehmerin die Frau mit dem Funkmikrophon zu sich, und als sie es endlich in ihren Händen hält, atmet sie tief durch und meint ganz gelassen: "Das Problem sind die Männer." Einige tragen zwar den Umschwung der letzten Jahre mit, gesteht sie ein. Doch die Mehrheit der Männer hätte eben noch viel zu lernen.

Männer nur kopiert Gegen Ende der Diskussion einigen sich die Frauen dann darauf, daß allein ein Zusammenarbeiten der Frauen untereinander die Männerdomäne in der Arbeitswelt aufbrechen kann. Informelle Treffen und die Ermutigung der jungen Mädchen seien wichtige Schritte dorthin.

Die Sichtweise auf dem Arbeitsmarkt ist eben weltweit stark von den Männern geprägt. Bisher haben sich die Frauen gedreht und gewendet, um so zu werden wie die Männer. Doch das soll anders werden. Die Frauen sollten sich nicht von dem mächtigen Bild der vom Wettbewerb geprägten Geschäftswelt abschrecken lassen, sondern sich für kleine, überblickbare Unternehmen einsetzen, in denen Zusammenarbeit vor Konkurrenz steht. "Stay small and cooperativ" oder: nur gemeinsam sind wir stark, lautete das Resümee der Akademikerinnen.

Wenn es sich bei den einzelnen Wortmeldungen auch oft nur um subjektive Eindrücke handelte, so war doch zu spüren, daß es keiner Statistiken und Berichte über die genaue Lage der einzelnen Nationen bedarf. Die Nachteile vom "Frausein" waren zu Beginn des Treffens jeder einzelnen Teilnehmerin bekannt. Nun wollen sie gemeinsam ihre Stärken entdecken und damit an einer Zukunft - nicht der Frauen und nicht der Männer - sondern an einer Zukunft der Menschen allgemein arbeiten.

Ein Geschäftsbrief der mit der Anrede "Sehr geehrte Damen" alleine beginnt ist daher nicht das Ziel dieser Frauen. Doch die derzeit übliche Art, nämlich "Sehr geehrte Damen und Herren" zu schreiben und damit nur die Herren zu meinen, ist sicherlich zu wenig.

Was in den nächsten drei Jahren, bis zur 27. IFUW-Konferenz in Ottawa passieren wird, weiß keiner genau, weder Männer noch Frauen. Doch für die Frauen ist eines klar: Was immer kommen mag, sie werden sich daran beteiligen.

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