Viel zu spät habe die Wirtschaftskammer Ein-Personen-Unternehmen (EPU) als Zielgruppe entdeckt, kritisiert Unternehmensberaterin Martina Schubert im Interview. Nun hole das die Kammer nach, doch an der schwierigen wirtschaftlichen Lage der EPU habe sich nur wenig geändert.
DIE FURCHE: Es macht den Eindruck, als würde es einen gewissen Hype um EPU geben. Peter Voithofer von der KMU-Forschung Austria widerspricht: EPU habe man schon immer gefördert. Wie sehen Sie das?
Martina Schubert: Ich habe im Jahr 2000 begonnen, mich mit EPU zu beschäftigen, doch erst 2005 sind sie von der Wirtschaftskammer als Zielgruppe wahrgenommen worden. In der Wirtschaftskammer sagt man ja noch immer, die Wirtschaft sei ein Block und alle hätten die selben Bedürfnisse. Inzwischen sind aber mehr als die Hälfte der Mitglieder EPU, die Wirtschaftskammer wiederum ist traditionell die Arbeitgebervertretung. Es geht zunächst darum, ob man das Richtige macht, dann darum, ob man es richtig macht.
DIE FURCHE: Wie lautet Ihr Urteil?
Schubert: Es fehlt die Evaluierung. Die Frage ist außerdem: Geht es jenen Leuten, die sich in den vergangenen fünf Jahren selbstständig gemacht haben, besser? Wenn ich aus der Statistik ablesen könnte, dass sie inzwischen gleich viel wie Angestellte verdienen, dann sage ich: Toll! Aber das kann ich nicht.
DIE FURCHE: Wie bewerten Sie die Angebote, die es gibt?
Schubert: Ein Beispiel aus meiner Praxis: Wenn eine g’standene Technikerin von einer jungen Angestellten beraten wird, höre ich oft: Was will mir die sagen? Ich will jemanden, der weiß, wovon er spricht.
DIE FURCHE: Ist die SVA nach wie vor das größte Problem für Selbstständige?
Schubert: Für Geringverdiener ist die SVA ein Problem. Wenn man wenig verdient oder zum Beispiel wegen Krankheit ausfällt, ist die Sozialversicherung wenig sozial. Das liegt auch am Gesetz: Finanzamt und Bank können verzichten, die SVA aber nicht, sie kann bis unters Existenzminimum pfänden. Die Zinsen bei Nachforderungen müssen angepasst werden.
DIE FURCHE: Aber Änderungen sind ja beispielsweise bei den Mindestbeiträgen geplant?
Schubert: Ja, aber ab 2018 und dann nur sukzessive. Das ist für Selbstständige viel zu weit weg. Wirklich ändern will da niemand etwas.
DIE FURCHE: Empfehlen Sie, EPU zu gründen?
Schubert: Das kommt auf die Persönlichkeit an. Wer ein EPU hat, ist für alle Aufgaben selbst zuständig. Man muss viele Fähigkeiten zusätzlich zur Kernleistung haben, wie Kalkulation, Buchhaltung oder Marketing. Man muss sich die Zeit zu 100 Prozent selbst einteilen, sich selbst motivieren, mit schwankenden Einnahmen umgehen. Meistens braucht man ein bis drei Jahre, bis man finanziell überleben kann. Uneingeschränkt würde ich es nicht empfehlen. In Österreich ist die Selbstständigkeit ja schließlich keine g’mahte Wies’n. Viele verstehen die Probleme nicht, mit denen Selbstständige zu kämpfen haben - Kunden, die nicht zahlen oder Auftragsflauten. Mit all dem muss man umgehen können. Wenn das jemand kann, ist es absolut empfehlenswert. (sf)