
Silke Ohlmeier: „Langeweile ist politisch"
Der Langeweile werden gerne konstruktive Zwecke zugeschrieben. Dabei ist sie gesundheitsschädlich, erklärt die Soziologin Silke Ohlmeier im FURCHE-Gespräch.
Der Langeweile werden gerne konstruktive Zwecke zugeschrieben. Dabei ist sie gesundheitsschädlich, erklärt die Soziologin Silke Ohlmeier im FURCHE-Gespräch.
Ärmere Menschen langweilen sich öfter als reiche, Frauen öfter als Männer. Warum das so ist - und welche Rolle die gegenwärtige Erschöpfung der Bevölkerung dabei spielt.
DIE FURCHE: Der Titel Ihres jüngsten Buch lautet „Langeweile ist politisch“. Aber ist heute nicht nahezu alles politisch? Warum nun auch die Langeweile?
Silke Ohlmeier: Langeweile ist das unangenehme Gefühl, das daraus resultiert, einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen zu wollen, es aber nicht zu können. Das ist natürlich nicht nur, aber in besonderem Maße ein Phänomen von marginalisierten Menschen. Menschen mit Behinderungen können etwa wegen fehlender Barrierefreiheit weniger frei entscheiden, was sie machen möchten, inwiefern gesellschaftliche Teilhabe oder ein interessanter Job überhaupt möglich sind. Auch arme Menschen sind eingeschränkt. Man kann sich von Langeweile natürlich nicht frei kaufen, aber wenn ich kein Geld für den Bus oder das Kino habe, dann bin ich umso ohnmächtiger.
DIE FURCHE: Langeweile ist grundsätzlich ein Gefühl, das alle kennen. Ist das nicht eher ein Luxusproblem?
Ohlmeier: Die situative Langeweile ist etwas, das zum Leben dazugehört und unproblematisch ist. Ein langweiliger Tag in der Arbeit etwa oder das Warten im Stau haben keinerlei negative Konsequenzen. Die chronische oder existenzielle Langeweile hingegen bedeutet, dass ich mich in großen Teilen meines Lebens regelmäßig gelangweilt fühle. Das hat negative gesundheitliche Auswirkungen und kann zu Alkohol- und Drogenkonsum, zu Spielsucht, erhöhter Unfallgefahr, weil ich unaufmerksam werde, zu Einsamkeit und Aggression führen.
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