Sonntag in Gnigl

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Sonntagskultur: Wie es darum steht, versuchte die Salzburger Stadtpfarre Gnigl zu ergünden. Ergebnis der Befragung: Die Familie hat hohen Stellenwert.

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Sonntagskultur: Wie es darum steht, versuchte die Salzburger Stadtpfarre Gnigl zu ergünden. Ergebnis der Befragung: Die Familie hat hohen Stellenwert.

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Der kleine Bub auf dem Arm seines Vaters zappelt und will ins Weihwasserbecken greifen, zwei kleine Mädchen schauen versonnen auf die brennenden Kerzen beim Kirchenausgang. Am Beginn der Messe sind sie weiter vorne gestanden, langsam haben sie sich, verfolgt vom geduldigen Papa, nach hinten - dem Ausgang zu - bewegt; Kinder sind hier willkommen, werden auch eingeladen, vor an den Altar zu kommen: die Kirchgänger lächeln, manche denken an ihre Zeiten mit kleinen Kindern in der Sonntagsmesse.

"Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag. Ruhe und Frieden, dass ihr Kraft tanken könnt für die nächste Woche. Für eine stille Andacht steht euch die Kirche weiter offen", so die Worte des Pfarrers. Nach dieser 10-Uhr-Messe stehen die Leute vor der Kirche in kleinen Gruppen beisammen, manche zünden bei den Gräbern Lichter an; langsam verebben die Gespräche; von "Ich muss kochen gehen" über "Mein Mann bleibt lieber daheim und kocht" bis zu "Nein, heute gehen wir alle essen" reichen die Mittagspläne der Gottesdienstbesucher an diesem Sonntag in der Salzburger Stadtpfarre Gnigl. Als Überschrift über dieser Idylle könnte stehen "Sonntag in Gnigl".

Diesen Titel trägt auch die dort durchgeführte Stadtteilbefragung, die ein Teil des Gemeindeprojektes der Pfarre in Zusammenarbeit mit der Katholischen Aktion Salzburg ist. "Wir haben im Rahmen dieses Projektes nicht nur das Thema Erwerbsarbeit am Sonntag bearbeitet, wir wollen den Sonntag in einem umfassenderen Sinn ins Zentrum der Diskussion stellen. Es geht uns auch um die Sonntagskultur: wie wird diese in den Familien gelebt und wie wird sie in der Pfarre gelebt, wie ist der Sonntagsgottesdienst gestaltet, welche Angebote gibt es darüber hinaus am Sonntag in der Pfarre." So beschreibt der Projektleiter Josef Mautner, Theologe und Germanist, Gechäftsführer des Bereichs "Gemeinde und Arbeitswelt" in der Katholischen Aktion Salzburg, die Zielsetzung der Initiative.

Sonntag als Kernpunkt Dechant Richard Schwarzenauer ist der Pfarrer der über 6.000 Katholikinnen und Katholiken zählenden Stadtpfarre; auch er sieht die Dringlichkeit gegeben, den Sonntag als Jahresthema aufzunehmen: "Wenn wir keine gemeinsamen Zeiten mehr zum Feiern haben, dann wird es gefährlich, und wenn alles dem Wirtschaftlichen untergeordnet wird, dann wird es noch gefährlicher!"

Das Gemeindeprojekt der Pfarre Gnigl startete mit einer Podiumsdiskussion zum Thema "Erwerbsarbeit am Sonntag": "Wir waren überrascht über die so rege Teilnahme der Gnigler; etwa 50 Leute haben engagiert und mit großem Erfahrungshintergrund mitdiskutiert und sich zu Wort gemeldet. Uns war somit klar, dass Sonntagsarbeit und Sonntagskultur hier Themen sind, die Resonanz finden, die bewegen. Mehrere selbstständig Erwerbstätige - Boutiquenbesitzer bis hin zu Lebensmittelhändern - sowie sehr viele Angestellte diskutierten hier mit.

Der überwiegende Teil hat sich damals gegen die Erbwerbsarbeit am Sonntag und die Sonntagsöffnung ausgesprochen. Im Altersdurchschnitt der Diskutierenden lag zwischen 40 und 50 Jahren", fasst Mautner diese Auftaktveranstaltung zusammen.

Der von einem Team darauf hin ausgearbeitete und mit Pfarrer und Pfarrgemeinderat diskutierte Fragebogen bildet die Grundlage der Untersuchung: 4.000 Fragebögen wurden im März über die Caritas-Haussammlung an die Wohnbevölkerung in Gnigl verteilt. Die Fragestellungen teilen sich dabei in drei große Themenkomplexe: Der Sonntag im Arbeitsleben; der Sonntag in der Familie; der Sonntag in der Pfarre. Der Rücklauf - 456 ausgefüllte Bögen, das sind 11,4 Prozent - hat Pfarrer Schwarzenauer ein bisschen enttäuscht, er hat mit 50 Prozent gerechnet.

Und wieder an einem Sonntag, beim Kirchweihfest am 25. Juni, wurden die Ergebnisse präsentiert; sie werden in Verbindungmit konkreten Schlussfolgerungen und Forderungen an die zuständigen Politiker der Stadt Salzburg, an Vertreter von ÖGB und Arbeiterkammer sowie an Wirtschaftsvertreter weitergeleitet.

Zur Ruhe kommen Da der Fragebogen den Weg über die Caritas-Haussammlung nahm, erreichte er die gesamte Wohnbevölkerung, ging somit über den Innen-Kreis der Pfarre hinaus. 57 Prozent Frauen und knapp 30 Prozent Männer haben die Fragen beantwortet. Die Altersschicht der unter 25-Jährigen ist mit nur 5 Prozent vertreten; die Gruppe der 26-40 Jährigen mit 23 Prozent und etwa gleich die 40-60-Jährigen mit 28 Prozent und die über 60-Jährigen mit 26 Prozent.

Ein Viertel der Einsender gab an, nicht erwerbstätig zu sein, davon waren über 70 Prozent in Pension. Der Anteil der unselbstständig Erwerbstätigen liegt mit 168 Personen bei 36,8 Prozent; dabei fällt der 15-prozentige Anteil der ÖBB-Angestellten in Gnigl wie der mit beinahe 18 Prozent sehr hohe Anteil der Handelsangestellten in diesem Stadtteil auf.

"Ich arbeite am Sonntag" als ein Punkt der Erhebung wurde von 255 Personen - 55,9 Prozent - mit "nie" und von 79 Personen - 17,3 Prozent - mit "fallweise" beantwortet. Jede Woche arbeiten 17 Personen am Sonntag. "Bei einem weiteren Fragebogen würden wir hier auch die Hausarbeit positionieren. Hausarbeit ist auch etwas Verpflichtendes, ob es gerade Freude macht oder auch nicht", ergänzt Josef Mautner die Vorgaben.

Ein Drittel der Befragten hat auf die folgende Frage mit "niemals" geantwortet: Wie würden Sie sich entscheiden, wenn Ihr Arbeitgeber fragt, ob Sie sonntags arbeiten wollen? 43,9 Prozent wären dazu unter bestimmten und 5,7 Prozent ohne Bedingungen bereit. Mit "Arbeit" war jeweils die reine Erwerbsarbeit, nicht jedoch jede Form von ehrenamtlicher Tätigkeit gemeint.

Da 70 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sich Sonntagsarbeit belastend auf die familiären Beziehungen auswirkt, erklärt sich daraus auch die Antwort der Hälfte der Befragten auf die Frage nach dem Stellenwert des Sonntags im Leben: "einen sehr hohen" gaben 336 an, den Sonntag mit Familienangehörigen und Verwandten zu verbringen, 202 verbringen ihn mit dem Lebenspartner und 137 mit Freunden/Arbeitskollegen.

In Gnigl steht der Sonntagsgottesdienst hoch im Kurs; Mehrfachnennungen waren zu der Frage "Wie verbringen Sie persönlich den Sonntag?" möglich: da steht der Besuch des Sonntagsgottesdienstes am zweiten Platz hinter dem Besuch von/bei Freunden und Verwandten.

Spielen oder Ausflüge mit den Kindern nimmt den dritten Rang ein, Sport kommt vor Fernsehen und dann folgt "Nichtstun". Der Sonntag dient den befragten Gniglern der eigenen Erholung, dann der Familie und den Kindern und bereits an dritter Stelle genannt, der religiösen Besinnung.

Sehnsucht nach Familie Im dritten Teil des Fragebogens "Der Sonntag in der Pfarre" erklären 181 Personen, an manchen Sonntagen am Gottesdienst in der Pfarre Gnigl teil zu nehmen, 25,6 Prozent tun dies jeden Sonntag.

258 Menschen empfinden den Sonntagsgottesdienst als Bereicherung. Pfarrer Richard Schwarzenauer analysiert die Spannung zwischen Sehnsucht und lebbaren Lebensmodellen zum Thema Familie und Sonntag folgend: "Die Sehnsucht, den Sonntag wirklich mit der Familie zu verbringen, ist unübersehbar vorhanden. Die Menschen wollen diese gemeinsamen Zeiten, da müssen wir seitens der Kirche auch Anregungen und Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung dieser Sehnsucht geben. Die Frage des Sonntags hängt auch stark mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, den eigenen Werthaltungen zusammen. Wir wollen die christliche Kultur, die Sonntagskultur in unseren Überlegungen und Aktionen rund um das Projekt positionieren. Besonders wichtig ist uns dabei die Entwicklung, der Einübung einer Sonntagskultur", ergänzt Schwarzenauer die Ergebnisse.

"Sonntag ist für mich und meine Familie ,Zeit zu haben füreinander'. Ich will mich auch am Sonntag nicht abhetzen müssen, oft besuche ich den Gottesdienst deshalb am Samstagabend. Beim gemeinsamen Frühstück am Sonntag reden wir dann oft mehr und intensiver miteinander als unter der ganzen Woche. Das Bedürfnis unserer drei Kinder lautet: Habt Zeit für uns. Das Bedürfnis von uns Eltern nach dem gemeinsamen Besuch des Gottesdienstes ist ebenfalls stark, wir geben aber den Kindern für den Sonntag den Vorrang und führen darüber in der Familie viele Diskussionen. Mir ist mein, ist unser Sonntag heilig", resümiert eine teilzeitbeschäftige Gniglerin, die nach der Messe mit ihrem Mann heimschlendert.

Ihre Sonntagskultur hat sich entwickelt, hat sich mit der Entwicklung der Kinder verändert und fordert die Familie heraus - eine Facette von "Sonntag in Gnigl".

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