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Die Budgetbeschlüsse der Klausur von Loipersdorf lösten eine für die Regierung völlig überraschende Welle an Protesten aus. Ab Freitag lädt sie ausgewählte Persönlichkeiten zu Unterredungen. Am 30. November beschließt der Ministerrat das Budget.

Zauberlehrlings Schicksal: Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll haben derzeit alle Hände voll damit zu tun, die Geister, die sie riefen, wieder loszuwerden. Doch die lassen sich nicht abschütteln. Und der Meister fehlt, der die Geister zurückzuverwandeln vermag. Also bleibt Faymann und Pröll nur mehr ein in diesen Tagen dicht gedrängter Gesprächskalender mit empörten Kirchenvertretern, revoltierenden Studenten, protestierenden Familienvertretern, aufgerüttelten Rektoren - und der Termin für den Schulgipfel ist noch nicht einmal fixiert.

Die Verwirrung ist groß, seit die Bundesregierung behauptet hat, bei ihrer Klausur im steirischen Loipersdorf über das Budget 2011 klar entschieden zu haben. Weil sie zur Feinabstimmung, sprich: zu nachträglichen Korrekturen bereit war, schrieb eine Zeitung, das Budget werde entschärft, die nächste, das Sparpaket werde aufgeschnürt, die übernächste, die Regierung bleibe hart. Die unterschiedlichen Schlagzeilen desselben Tages in dieser Woche sind Ausdruck einer inhaltlich und terminlich aus dem Ruder gelaufenen Spar- und Budgetdebatte. Gründe dafür gab es reichlich.

Bereits am Freitag dieser Woche empfangen Faymann und Pröll Wiens Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, der sich, ebenso wie Vertreter der Caritas und des Katholischen Familienverbandes, prompt kritisch zu den Einsparungsplänen geäußert hat. Noch bis zum 30. November, an dem das Budget im Ministerrat beschlossen werden soll, bleibt Zeit für weitere Gespräche. Die drehen sich im wesentlichen um die soziale Schieflage des Sparkurses.

Tausende Studenten betroffen

So meinte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll zu den ersten Budgetbeschlüssen der Regierung, man müsse danach "schauen, dass die soziale Symmetrie für die Familien gewahrt bleibt". Erich Foglar, Präsident des Gewerkschaftsbundes, urteilte ebenso: Die Kürzungen für die Familien und für die Jugend seien "völlig unverhältnismäßig". Das hatte die Regierung schon geahnt.

Die Streichung der 13. Familienbeihilfe, oder besser: deren Kürzung auf 100 Euro, treffe 106.000 Familien. Die Herabsetzung des Alters für den Bezug der Familienbeihilfe auf 24 Jahre wird nach Berechnungen der Hochschülerschaft an Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Akademien rund 35.000 Personen betreffen, nach Berechnungen des Wirtschafts- und Familienministeriums 27.500 Personen. Angeheizt werden die Proteste gegen diese Kürzungen zudem durch einen Vergleich der Situation unterschiedlicher sozialer Gruppen und den Hinweis auf die Ursachen für die Budgetmisere.

Die strategischen Erläuterungen zum Finanzrahmen für die Jahre bis 2014 machen deutlich, dass die Staatsverschuldung wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise so stark angestiegen ist und bei gleichbleibender Tendenz in Bälde den Wert von 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen würde. Ein Horrorszenario, das durch bereits geringfügige Zinsbewegungen nach oben noch weiter verschärft werden könnte. Und die vom Sparkurs besonders betroffenen Gruppen, die Jugend und die Familien, haben erkannt, dass der Anstieg der Schulden seine Ursache in der Gewährung staatlicher Zuschüsse und Garantien für den Finanzsektor hat. Weswegen jetzt im Sozialsektor gespart wird. Was zudem Gruppenkonflikte verschärft, womit der öffentliche Dienst - gerechtfertigt oder nicht - in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt.

Sparziel Nummer eins: Verwaltung

Die Gehälter für die Beamten werden 2011 angehoben, um zumindest 0,8 Prozent, höchstens um zwei Prozent. Die Steigerungen der Beamtenbezüge betrugen für 2009 und 2010 genau 3,6 Prozent; inflationsbereinigt erhöhten sich die Bezüge im öffentlichen Dienst von 1998 bis 2008 um 19 Prozent, jene der Angestellten hingegen um 3,7 Prozent. Alleine 2009 zahlte der Bund 27,1 MilliardenEuro für Arbeitnehmergehälter, das ist nahezu ein Fünftel seiner Ausgaben. Da erscheint es verständlich, dass eine Mehrheit von 79 Prozent der Bevölkerung laut GfK-Umfrage meint, es möge vor allem bei der Verwaltung eingespart werden. Selbst wenn in den genannten Beträgen auch die Bezüge für Lehrende an Schulen und Universitäten enthalten sind, von denen eine weitere Mehrheit von 79 Mehrheit sagt, dort solle keinesfalls gespart werden. Die Unklarheit der Verhältnisse scheint sich nicht nur in den Schlagzeilen, sondern auch in den Umfragen widerzuspiegeln. Und die Ängste erst recht.

Auch bei Spitälern und bei der Gesundheit dürfe keineswegs gespart werden, sagen laut Gesellschaft für Konsumforschung 70 Prozent der Österreicher in der genannten Umfrage. Genau das scheinen sie zu befürchten, wie das "Gesundheitsbarometer" des Institutes für Strategieanalysen (ISA) erhoben hatte.

Sorge um Gesundheitsversorgung

Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung seien sehr zufrieden mit der Gesundheitsversorgung, sagte ISA-Leiter Peter Filzmaier bei der Präsentation der im Auftrag des Gesundheitsministeriums erhobenen Daten. Allerdings hätten drei Viertel der Bevölkerung Angst, dass sich die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren verschlechtern werde. Diese Sorgen müsse man, so Gesundheitsminister Alois Stöger, "ernst nehmen", auch "weil es Personen gibt, die die Ängste schüren".

Genau dagegen kämpft Faymann bereits. Angesprochen auf den fälligen Beitrag der Bundesländer zum Sparkurs meinte er: Ja, er wolle mit diesen einen Stabilitätspakt vereinbaren, die Regierung wolle aber weder Massenschließungen von Spitälern noch von kleinen Schulen.

Das alles wird noch debattiert. Bis zur Abstimmung über das Budget im National- und im Bundesrat am 22. und 23. Dezember.

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