Sozialstaat im Verfassungsrang?

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Eigentlich spricht vieles für und kaum etwas gegen die Idee einer links-grünen Expertengruppe, den "Sozialstaat" in der Verfassung zu verankern. Die Sorge um die soziale Sicherheit von ohnedies benachteiligten Bevölkerungsgruppen ist in Zeiten neoliberaler Wirtschaftspolitik nicht von der Hand zu weisen: zumal es in Österreich in den letzten Monaten doch merkbare Einschnitte und Belastungen für einkommensschwächere Gruppen gegeben hat.

Das Problem wird die Umsetzung sein, und zwar auf mehreren Ebenen. Die Einleitung eines Volksbegehrens in Bezug auf die Verfassungsänderung ist für die Proponenten keine nennenswerte Hürde. Wahrscheinlich gelingt es mit tatkräftiger Unterstützung der Oppositionsparteien auch, ein passables Bürgervotum einzufahren: vielleicht sogar ein ausgezeichnetes, denn die Regierungsparteien werden sich zumindest nicht massiv dagegen stellen oder sogar auf den Zug aufspringen. Wer lehnt einen Sozialstaat ab?

Aber man will vielleicht nicht denselben, und das könnte Herrn und Frau Österreicher ziemlich verunsichern. Soll nun der Staat allumfassende soziale Sicherheit garantieren, oder leistet da auch die "Bürgergesellschaft" und der Einzelne seinen Beitrag? Und was ändert sich überhaupt, wenn tatsächlich in der Bundesverfassung steht: "Österreich ist ein Sozialstaat"?

Rein rechtlich gesehen ist das ja längst so. Soziale Sicherheit ist seit 1966 im völkerrechtlich verbindlichen UN-Menschenrechtspakt II und seit Oktober 2000 auch in der Europäischen Grundrechtscharta festgeschrieben. Ist etwas schon Realität, weil es ein (Verfassungs-)Gesetz gibt? Man muss nur an die legistisch verankerte und kaum wirklich gelebte Gleichberechtigung von Mann und Frau denken: daran sieht man, dass die gesellschaftsgestaltende Kraft beziehungsweise die politische Wirksamkeit von Normen nicht überschätzt werden darf.

Beim Thema Soziales kommt dazu, dass unsere "individualisierte" Konkurrenz- und Neidgesellschaft vielfach gesplittet ist: Der "gesellschaftliche Zusammenhalt" und die Solidarität, die die Proponenten in die geplante Verfassungsergänzung hineintexten, fehlt weitgehend.

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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