Soziokratie. - © Bild: iStock/Olemedia

Soziokratie in der Arbeitswelt: "Alle sollen gehört werden"

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Viele junge Menschen stoßen sich an den aktuellen Arbeitsbedingungen. Soziokratie-Experte Florian Bauernfeind erklärt, wie dies eine neue Organisationsform ändern könnte.

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Viele junge Menschen stoßen sich an den aktuellen Arbeitsbedingungen. Soziokratie-Experte Florian Bauernfeind erklärt, wie dies eine neue Organisationsform ändern könnte.

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Mehr Freude im Berufsleben als bei klassischen Führungsmodellen: Dafür soll eine soziokratische Organisationsform sorgen. Kann sie zum Arbeitsmodell der Zukunft werden? Ein Interview mit dem Leiter des Soziokratie Zentrums Wien, Florian Bauernfeind, über Hierarchien und demokratische Entscheidungen.

DIE FURCHE: Viele junge Menschen wünschen sich Mitgestaltungsmöglichkeiten und ein Berufsleben mit gesellschaftlichem Mehrwert. Kann das Organisationsmodell der Soziokratie Abhilfe schaffen?
Florian Bauernfeind: Ich denke schon. Ich erlebe, dass man in der Soziokratie seine Potenziale vielfältiger einsetzen kann und viel schneller Bereiche findet, in denen man sich innerhalb der Organisation auch wirklich nützlich machen kann, statt jahrelang einen Job zu machen, für den man eigentlich überqualifiziert oder ungeeignet ist. Mit einem unterstützenden Umfeld, in dem man Neues ausprobieren kann, bestehen viele Chancen zur Weiterentwicklung innerhalb der eigenen Organisation, in der man folglich auch lieber arbeitet. Man empfindet dann, dass in dieser Arbeit ein Stück von einem selbst ist.

DIE FURCHE: Soziokratie heißt, bei der Führung alle Mitglieder einer Organisation einzubeziehen. Was bedeutet das konkret?
Bauernfeind
: Die Soziokratie bietet uns ein Modell, wie Mitbestimmung in einer Organisation praktisch funktionieren kann. Alle haben das Recht, gehört zu werden und in ihren jeweiligen Bereichen direkt mitzuentscheiden. Das System ist recht einfach und basiert auf nur wenigen Prinzipien, die aber sicherstellen, dass Macht nicht nur top-down, sondern im gleichen Maße bottom-up wirkt. Macht wird zu einer gemeinsamen Verantwortung, mit der wir offen umgehen. Die Soziokratie wirkt wie ein Feedbacksystem, durch das eine Organisation, basierend auf Messungen und Mitverantwortung jedes Mitglieds, permanent verändert werden kann.

DIE FURCHE: Ähnlich funktioniert Basisdemokratie: Jedes Mitglied hat direktes Mitspracherecht. Worin liegt der Unterschied?
Bauernfeind:
Soziokratie ist meiner Ansicht nach eine smarte Mischform aus Basisdemokratie und repräsentativer Demokratie. Es müssen nicht alle Entscheidungen von allen Mitgliedern persönlich getroffen werden, sondern von jenen Mitgliedern, die einem entsprechenden Kreis zugehörig sind, welcher im Rahmen seiner Domäne über die aktuelle Sache entscheiden darf. Wenn wir uns eine Gruppe mit 50 Personen vorstellen, ist klar, dass diese Gruppe nicht weit kommen wird, hätte sie den Anspruch, dass immer alle überall mitentscheiden sollen. Die Erfahrung zeigt, dass es sicher genug ist, spezialisierte Kreise entscheiden zu lassen, die sich fallweise korrigieren. In jedem Kreis sitzen Menschen, die – gut moderiert – von der Bildformung zur Meinungsbildung, Integration und Beschlussfassung geführt werden. Alle können ihre Perspektiven und gegebenenfalls Bedenken einbringen und müssen erst „Konsent“ geben, damit ein Vorschlag zum gültigen Beschluss wird. „Konsent“ bedeutet, keinen schwerwiegenden Einwand zu haben. Die Aufteilung in unterschiedliche Kreise ermöglicht es uns, jeweils in bestimmten Bereichen direkt mitzuentscheiden, während das Prinzip der doppelten Koppelung ein indirektes Mitsteuern auch in anderen Kreisen gewährleistet. Durch dieses Prinzip sind alle Kreise mittels Leitungen und Delegierten miteinander verbunden.

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