Späte "Heimkehr" auf die Straße

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Es wäre übertrieben, meine Teilnahme an öffentlichen Protesten eine "Erfolgsgeschichte" zu nennen. Da war, lang ist 's her, der Salzburger Mittelschülerstreik -als Protest gegen Kürzungen im Kulturbudget. Anderntags war ausgerechnet ich auf Zeitungsfotos unseres Demonstrationszugs zu sehen. Angesichts fragwürdiger schulischer Leistungen stand mein weiterer Bildungsweg kurzfristig in Frage. Die Erlösung kam aus Wien: "Unterrichtsministerium würdigt Salzburger Schul-Protest", hieß die Botschaft, die mir alle Strafsanktionen erspart hat.

Jahrzehnte später, am 15. Mai 1982: Auf der Wiener Mariahilferstraße bin ich einer von 70.000 Demonstranten, die gegen Reagans "Nachrüstung" marschieren. Mit einer seltsamen Motivation: dabei sein, aber möglichst nicht gesehen werden. Denn der Kurier, für dessen Außenpolitik ich damals verantwortlich war, hatte aus seiner Gründungsgeschichte eine ideologische Nähe zu den USA. Prompt hat mich der Lauf der Geschichte bestraft: Ohne Amerikas Hochrüstung hätte es keinen Zusammenbruch der UdSSR, keinen Fall des Eisernen Vorhangs und keine deutsche Einheit gegeben.

Dann der 19. Dezember 1984: Im Land herrscht "Krieg" um die Erhaltung der Hainburger Au. Wir demonstrieren am Heldenplatz -und sind bitter enttäuscht, als Günther Nenning, Freda Meissner-Blau &Co. vom Gespräch mit Rudolf Kirchschläger zurückkommen. Der Bundespräsident hat uns "nichts anzubieten" und steht "eher auf Seiten der Regierung". Noch ahne ich nicht, dass die Hofburg fünf Jahre später mein Arbeitsplatz sein wird.

Der Gegner in uns selbst

Und jetzt: Nach Jahrzehnten bin ich noch einmal als Demonstrant und Redner unterwegs. Die Asylpolitik eines FPÖ-Landesrats setzt meine Überzeugung, das Protestieren der Jugend zu überlassen, kurzzeitig außer Kraft. Ich freue mich über die vielen Gleichgesinnten und denke an die Großdemonstrationen der Tage zuvor (Schüler- Streik für Klimaschutz, Anti-Rassismus-Aufmarsch) und bejuble die "Wiedergeburt einer couragierten Zivilgesellschaft".

Aber irgendwie spüre ich, dass der Gegner nicht immer nur "Politik" heißt, sondern sich auch in uns selbst versteckt. Also zitiere ich an diesem Abend - ein wenig modifiziert - was als Forderung an uns selbst über meinem Schreibtisch hängt: fünf Grundsätze für den Umgang mit Minderheiten aller Art: 1. Wieder öfter sagen: "Du gehörst dazu - und bist kein Außenseiter"

2. Auch "Ich höre Dir zu und rede mit Dir. Egal wer oder was Du bist" 3. "Ich rede gut über Dich"

4. "Ich brauche Dich und traue Dir etwas zu"

5. "Ich teile mit Dir" - nicht nur Geld und Gaben, auch Möglichkeiten und Chancen.

Der deutsche Bischof, von dem die Urform dieser Liste stammt, hat noch zwei Punkte ergänzt: "Ich besuche Dich" und "Ich bete für Dich". Um auch das bei meiner jüngsten Demo-Rede zu zitieren - dazu war ich zu mutlos.

noch einmal als Demonstrant unterwegs. Die Asylpolitik eines FPÖ-Landesrats setzt meine Überzeugung, das Protestieren der Jugend zu überlassen, außer Kraft.

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