Standortbeschädigung mit System

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Die Forschung bekommt mehr Geld! Das ist doch einmal eine gute Nachricht. Unter dem heroischen Titel einer "Offensivmaßnahme" werden bis 2014 jährlich 100 Millionen zusätzliche Euro locker gemacht. Schon auf den zweiten Blick folgt jedoch die Ernüchterung. Das Geld wird nämlich fast vollständig dafür verwendet, die ebenfalls beschlossene Erhöhung der Forschungsprämie von acht auf zehn Prozent zu finanzieren. Dieses Instrument erstattet Firmen - nun mehr - zehn Prozent ihrer Entwicklungsausgaben in barer Münze zurück. Was übrig bleibt, erhält die Forschungsförderungsgesellschaft FFG, deren Projekte zu drei Vierteln ebenfalls von Unternehmen durchgeführt werden. Auf der Strecke bleiben hingegen Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und die Grundlagenforschung im Allgemeinen.

"Strukturbereinigung"

In Summe ergibt das ein in sich stimmiges Bild, in dem Gewinner und Verlierer so klar gruppiert sind, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, die Regierung betreibe die Beschädigung des Wissenschaftsstandortes Österreich in voller Absicht. Richtig ist, dass der Unternehmenssektor als tragende Säule mehr als 70 Prozent der heimischen Forschungsausgaben tätigt. Das soll auch so sein, ist es doch ein Indikator für gesunde Volkswirtschaften. Allerdings hat Österreich im OECD-Vergleich und gemessen am BIP ohnehin den vierthöchsten Anteil an Förderungen für Unternehmensforschung. Auch haben die Unternehmen in der Wirtschaftskrise ihre Forschungsausgaben nur geringfügig reduziert. Das Argument, gerade jetzt wäre ein Anschub nötig, überzeugt deshalb nicht.

Als Beobachter ist man zur zynischen Einschätzung gezwungen, dass der Grundlagen-Wissenschaftsfonds (FWF), die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) oder die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft (LBG) noch glimpflich davon gekommen sind. Ihre Finanzierung bleibt in den kommenden Jahren immerhin konstant (niedrig). Was nicht nur kein Wachstum zulässt, sondern angesichts steigender Kosten und Inflation real Einbußen bedeutet. Am härtesten treffen die Sparmaßnahmen die zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Ihre Basisfinanzierung, schlappe acht Millionen Euro pro Jahr, soll 2011 halbiert und ab 2012 ersatzlos gestrichen werden. Im Wissenschaftsministerium spricht man euphemisierend von einer "Strukturbereinigung" und überlegt jetzt Neustrukturierungen der betroffenen Institutionen oder Anbindungen an bestehende, vorzugsweise Universitäten. Das wäre im Prinzip gar nicht dumm, ist doch die heimische Forschungslandschaft tatsächlich ein wenig fragmentiert und unübersichtlich. Sinnigerweise müssten die Unis dann aber deutlich mehr Geld bekommen als jährlich die 80 Millionen des aktuellen Budgetentwurfs, die nicht einmal ausreichen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.

Dreiviertelgebildete Bachelors

Der Versuchung, mangelndes Verhandlungsgeschick seitens der geschmähten wissenschaftlichen Organisationen zu vermuten, sollte man widerstehen. Dafür sprechen die Regierungspläne eine zu deutliche Sprache. Hier wird systematisch eine radikale Teilung in gute - weil wirtschaftlich verwertbare - Forschung und den traumtänzerischen Rest vollzogen. Die Brutalität des wissenschaftlichen Kahlschlages liegt in der Verantwortung der Regierungsspitze. Die Architektur erinnert jedoch frappant an die Denkweise von Interessenvertretern wie Veit Sorger, Hannes Androsch oder Christoph Leitl (ja genau, jener Christoph Leitl, der noch im Februar forderte, die Förderung der Grundlagenforschung gänzlich an Brüssel auszulagern). Junge Menschen sollen demnach mit spätestens 24 als dreiviertelgebildete Bachelors in die Firmen gehen und sich im "echten Leben" bewähren.

Forschung steht hierzulande hoch im Kurs - solange sie von der Wirtschaft durchgeführt wird.

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