Standortnachteil Frausein

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Das Recht ist die eine, der Alltag die andere Seite. Trotz umfangreicher Maßnahmen haben Frauen am Arbeitsmarkt noch immer die schlechteren Karten.

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Das Recht ist die eine, der Alltag die andere Seite. Trotz umfangreicher Maßnahmen haben Frauen am Arbeitsmarkt noch immer die schlechteren Karten.

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Der Verdacht bestätigte sich: Gleichstellungspolitik ist noch immer Frauenpolitik, also Frauensache. Ein Rundblick im Spiegelsaal des Grazer ÖGB-Hauses lieferte den klischee-gemäßen Beweis: Die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer an der internationalen Konferenz "Frauenbilder-Männermythen" zur Chancengleichheit am EU-Arbeitsmarkt von 5. bis 8. April waren Teilnehmerinnen. Auch Klischee Nummer zwei wurde selbstironisch hinterfragt - und verifiziert: Sprachen, Pädagogik oder Soziales gaben die meisten Damen als Ausbildungsschwerpunkt an, die Technikerinnen dagegen verloren sich im Saal.

Tatsächlich ist die Arbeit an der Gleichstellung der Geschlechter ein hartes, vor allem aber zähes Brot. Das wissen nicht nur die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens oder die Kritikerinnen an der Auflösung des Frauenministeriums in Österreich. Gleichstellung beginnt im günstigsten Fall im Kopf und wandert über die Familien und den Arbeitsmarkt bis auf die Regierungsebenen - im Normalfall ist die Reihenfolge wohl umgekehrt. Doch gerade in entscheidungsträchtigen Positionen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Und hier bilden die Gremien der Europäischen Union keine Ausnahme, weiß Agnes Kurtz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: "Bei den Stellenausschreibungen ist selbst die EU nicht lupenrein." Auch die nur fünf weiblichen Kommissionsmitglieder (von insgesamt 20) zeugen nicht gerade von Vorbildwirkung. Doch gebe es in Frankreich ein neues Modell, wonach politische Parteien nach ihrem Frauenanteil in Entscheidungspositionen dotiert würden, berichtet Kurtz hoffnungsvoll.

Zumindest die rechtliche Lage ist eindeutig: Schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957 habe es aus wirtschaftlichen Interessen Regelungen zur Gleichstellungspolitik gegeben, erinnert Uta Klein, Gastprofessorin für Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Graz. Besonders die Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 1976 habe sich zur beliebten Rechts-Grundlage für den Europäischen Gerichtshof entwickelt. Durch den Amsterdamer Vertrag vom 1. Mai 1999 wurde schließlich die Gleichstellungspolitik zum dezidierten Grundprinzip der EU. Die Staaten-Gemeinschaft beauftragt und verpflichtet sich darin selbst, "Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern."

Das Recht spricht die eine, die Realität jedoch eine andere Sprache. Gerade bei der Beschäftigung und Bezahlung zeigt sich - in Österreich wie überall sonst - der kleine, aber feine Unterschied. Waren hierzulande im Jahr 1997 gerade zwei Drittel aller Frauen vollzeitbeschäftigt, so waren es bei den Männern fast 90 Prozent. Beträgt die Beschäftigungsdifferenz in Österreich also gut 20 Prozent, so ist Schweden mit seinen nur drei Prozent in der Vorreiterrolle. Auch in der Arbeitslosenstatistik sieht er für die Frauen trister aus: 10,5 Prozent sind ohne Arbeit, bei den Männern sind es nur 7,5 Prozent. Wobei die Dunkelziffer bei Frauen um einiges höher liegt, weiß Klein.

Spätestens beim Geld hört sich die Gleichheit meßbar auf: Frauen verdienen in Österreich um durchschnittlich 30 Prozent weniger als Männer - auch aufgrund der Tatsache, daß jede dritte Frau nur teilzeitbeschäftigt ist. Das Einkommensminus von Frauen beginnt schon beim Einstieg (7,5 Prozent) und steigert sich sukzessive bis zum Höhepunkt in der Pension (rund 50 Prozent).

Kinder erweisen sich nicht nur als Sinn- und Hoffnungsträger einer Gesellschaft, sondern statistisch auch als Karrierehindernis für ihre Mütter: Immerhin 60 Prozent aller Österreicherinnen kehren nach Ablauf der 18monatigen Karenz nicht in ihren alten Beruf zurück. Die neue Karenzgeldregelung habe zudem keine besondere Wirkung gezeigt, resümiert die steirische Landesfrauensekretärin des ÖGB und SPÖ-Nationalratsabgeordnete Heidrun Silhavy. Noch immer fänden sich nur vereinzelt Väter bereit, die zusätzliche Karenzzeit von sechs Monaten in Anspruch zu nehmen. Und wieder einmal haben die Schweden die Nase vorn: Ein finanzielles Anreizsystem hat im Norden knapp der Hälfte aller Väter die Karenz schmackhaft gemacht.

Frommer Wunsch Auch auf höchster Ebene soll nun den gesellschaftlichen und politischen Ursachen der Ungleichheit der Garaus gemacht werden: "Gender-Mainstreaming" heißt das Zauberwort und durchzieht das Kapitel "Chancengleichheit", eine von vier Säulen in der EU-Beschäftigungsstrategie. Ziel ist es, die Geschlechter-Problematik aus den politischen Nischen zu holen, Diskriminierung bewußt zu machen und die geschlechtliche Gleichstellung praktisch umzusetzen - "in allen relevanten Tätigkeitsbereichen der Gemeinschaft", lautet der fromme Wunsch der EU-Kommission.

Der Weg dahin ist freilich steinig. Wie halb Europa steht auch Österreich noch am Anfang, gerade was den nötigen Bewußtseinswandel betrifft. So ist etwa der Familienbericht des Katholischen Familienverbandes für das Jahr 1999 Wasser auf die Mühlen der Konferenzteilnehmerinnen und sorgte für leichtes Schaudern: Auf die Frage, ob sie der Option "Die Frau soll ihre Erwerbstätigkeit bis zum Schulalter des Kindes abbrechen" zustimmen würden, antwortete ein Drittel der (jungen) Eltern mit "ja". Richtiggehend kurios wirkten jedoch die Antworten auf die Frage, ob der Mann allein in Karenz gehen solle: Einem mageren Prozent Zustimmung bei den Frauen standen bei den Männern stolze neun Prozent gegenüber. Die Daten des Familienberichts legen zumindest folgende zwei Schlüsse nahe: Erstens können sich noch immer viele Mütter nicht damit anfreunden, ihre Kinder in fremde Obhut zu geben und selbst wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Und zweitens halten gerade Frauen mit Vorliebe an traditionellen Rollenbildern fest.

Tatsächlich liegt das Grundübel für die Ungleichheit am Arbeitsmarkt nach Meinung vieler in den Frauen selbst. Noch immer würden bei Mädchen typisch weibliche Berufe wie Verkäuferin, Friseurin oder Sekretärin hoch im Kurs stehen, bilanziert Herta Kindermann-Wlasak vom AMS Steiermark. Wenn Frauen dennoch höhere Positionen erreichen, verabschieden sie sich meist von der Idee einer eigenen Familie, weiß die Arbeitsmarktexpertin: "Es gibt zwar zunehmend erfolgreiche Spitzenmanagerinnen oder Unternehmerinnen, doch die leben zunehmend allein - ganz im Gegensatz zu erfolgreichen Männern."

Was also tun, um der rechtlichen Gleichstellung die alltägliche folgen zu lassen? Zum ersten: Die Politik ist weiterhin gefordert, das einzulösen, wozu sie sich spätestens im Amsterdamer Vertrag verpflichtet hat. Zum zweiten: Gerade bei jungen Mädchen entscheidet meist nicht die Frage des Nicht-Könnens, sondern jene des Nicht-Kennens die Berufswahl. Hier wäre ein stärkeres Hinführen zu technischen Berufen angesagt, vor allem in die zukunftsträchtige EDV-Branche.

Und schließlich drittens: Zuversicht ist angebracht - die Zeiten ändern sich schneller als man glaubt. Das zeigt das Beispiel Irlands sehr illustrativ: Hier war verheirateten Frauen bis zum EU-Beitritt im Jahr 1973 jede außerhäusliche Erwerbsarbeit verboten.

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