Strategisch kommunizieren

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In Österreich tummeln sich immer mehr Politikberater und Lobbyisten. Ist das gefährlich für die Demokratie? Thomas Hofer hält diese Entwicklung nicht für bedrohlich, sondern sieht sie als Ausdruck wachsender Professionalisierung und Internationalisierung.Lobbying hat ein schlechtes Image. Doch auf die Mächtigen versuchte man immer schon Einfluss zu nehmen. Mit dem Wort "Lobbying" bekam diese Tätigkeit nur ein neues Kleid. Vor allem im immer stärker werdenden Machtzentrum Brüssel boomt diese Dienstleistung der besonderen Art. Die furche lässt hauptberufliche "Einflussnehmer" zu Wort kommen und wirft u. a. mit Karin Resetarits einen Blick hinter die Kulissen des Polit-Lobbying. Redaktion: Thomas Meickl

Manche Berufsgruppen haben es wahrlich schwer: Die Journalisten etwa, oder die Politiker. Wird das Vertrauen der Bevölkerung in diverse Branchen abgefragt, siegen mit schöner Regelmäßigkeit Feuerwehrleute, Krankenpfleger und Ärzte. Journalisten und Politiker finden sich meist am Ende des Rankings. Ihre härtesten Gegner: Versicherungsvertreter und Autoverkäufer. Politik und deren Vermittlung sind offenbar anrüchige Metiers. Und doch haben Medienleute wie Politiker schlicht Pech mit der Stichprobe der Meinungsforscher: Denn würden die Sympathiewerte von Lobbyisten abgefragt, die Interessensvertreter hätten ein Abo auf die rote Laterne.

Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren derart angepatzt wie das Wort "Lobbying". Oder wer fürchtet sich nicht vor der "Industrie-Lobby", der "Öl-" und der "Pharma-Lobby"? Im politischen Infight wird die Methode dann gefährlich: Etwa wenn Gruppen von Links- wie Rechtsaußen gegen die "Israel-Lobby" hetzen. Dabei müsste das nicht sein. Eine aufgeklärte Diskussion über Methoden der Politikbeeinflussung zeigt schnell: Das vermehrte Auftreten von Politikberatern und Lobbyisten in Österreich ist Ausdruck einer Professionalisierung und einer dringend nötigen Internationalisierung. In größeren "Politikmärkten" - also demokratischen Gebilden mit einem für alle offenen Zugang zur Politik - wie den USA oder der EU ist strategische Kommunikation gegenüber Regierungen längst Standard.

Recht zu intervenieren

Dort ist Lobbying nicht nur geduldet, sondern gewollt. In den USA steht das Recht auf Lobbying ("the right to petition the Government") sogar in Verfassungsrang. John F. Kennedy, beileibe kein Gottseibeiuns linker Systemkritiker, meinte: "Die beste Art, sich über ein Thema zu informieren, ist die, alle beteiligten Lobbyisten zu hören." Diese wichtigste Pflicht von Lobbyisten, nämlich Entscheidungsträger über berechtigte Interessen und potenzielle Folgen ihres Handelns zu informieren, ist in der EU längst dominierendes Prinzip. "Wir sind auf gute Lobbyisten schlicht und ergreifend angewiesen", sagt der langjährige österreichische EU-Kommissar Franz Fischler über den Prozess in Brüssel. In der EU gibt es keinen Gesetzwerdungsprozess, in dem nicht bewusst auf alle involvierten Lobbys zurückgegriffen wird. Nur Naive meinen, dass dabei einzelne Gruppen Wunschzettel abgeben, die von der Politik dann Stück für Stück abgearbeitet werden. Zu glauben, man könne erfahrene Politiker und ihre Stäbe zu Maßnahmen "überreden", beleidigt deren intellektuelle Fähigkeiten.

Es geht darum, Überzeugungsarbeit für die eigene Position zu leisten. Die Methoden sind dabei hoch professionell: Beim direkten Lobbying werden Themen und potenzielle Lösungen fokussiert, aber keinesfalls tendenziös aufbereitet und persönlich kommuniziert. Doch das allein ist es nicht. Eine unterschätzte Arena ist die des indirekten Lobbyings: Hier gehen gewiefte Interessensvertreter Umwege, um ein Thema aufzubereiten. Dazu gehört effektive Themensetzung via Medien genauso wie der gezielte Druckaufbau über Interessenskoalitionen oder die Mobilisierung von Basisaktivisten.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Gewiefte Lobbyisten sind beileibe nicht nur in Wirtschaftskreisen zu finden. Sie kommen aus nationalen Regierungen, Regionen, von Sozialpartnern oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Oft wird moniert, dass gerade Letztere massive finanzielle Nachteile gegenüber Wirtschaftslobbys haben. Ein Befund, der zumindest teilweise zutrifft. Ein Blick zu erfolgreichen NGOs in Washington und Brüssel zeigt allerdings, dass diese gerade indirektes Lobbying zu ihrer Domäne gemacht haben.

Transparent agieren

Eines ist dort jedenfalls klar: Der Informationsprozess zu politischen Institutionen läuft transparent. Lobbying ist ein für beide Seiten profitabler Informationsaustausch. Klischees über geheime Treffen in rauchigen Hinterzimmern, bei denen Geldkoffer den Besitzer wechseln, sind, was sie sind: Klischees. Das gilt auch für Österreich. Die entstehende Lobbying-Branche muss hier für Bevölkerung und Medien zwar noch nachvollziehbarer kommunizieren, doch mit der Gründung von Public-Affairs-Agenturen und Branchenverbände ist einiges getan. Früher gefiel sich die Republik in der Pflege der Sozialpartnerschaft. Die hatte zwar Verdienste, weil etwa die Streiksekunden niedrig gehalten werden konnten. Doch der bleierne Korporatismus schuf eine intransparente und alles dominierende Schattenregierung. Erst mit dem EU-Beitritt und der polarisierenden schwarz-blauen Regierung brach das verkrustete System auf. Die Lobbying-Agenturen artikulieren nun vorwiegend Einzelinteressen, die Sozialpartner weiterhin jene größerer Gruppen. Allen sauberen Anbietern ist dabei eines gemein: Die freiwillige Einhaltung ethischer Standards. Ein Beispiel: Seriöse Lobbyisten verzichten auf reine Erfolgshonorar-Systeme und orientieren sich an den Tagsätzen von Anwälten.

Der Systemwechsel hat gut getan. Auf EU-Ebene musste sich Österreich lange ans übliche Lobbying gewöhnen. Seither ist eine erstaunliche Metamorphose des Lobbying-Begriffs zu bemerken. Nun alterieren sich Kommentatoren, dass heimische Vertreter in Brüssel endlich effektiver österreichische Interessen vertreten sollten. Plötzlich ist Lobbying erwünscht. Im Lichte der sonst so negativen Begriffsdiskussion ist das eine fundamentale Einsicht: Lobbying ist wenigstens dann gut, wenn es der Durchsetzung eigener Interessen dient. Das ist ein erster Schritt, um die Lobbying-Debatte aus dem Schmuddeleck zu holen.

Der Autor ist Politikberater und Lobbyist in Wien. Er war "profil"-Journalist und studierte Lobbying und Wahlkampfmanagement in Washington.

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