Streitobjekt Selbstständige

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Sein eigener Herr oder seine eigene Frau sein, keine fixen Arbeitszeiten haben, sich selbst verwirklichen und alles von der Steuer absetzen können: So stellen sich nicht nur Angestellte den Alltag von Selbstständigen neidig vor. Ein-Personen-Unternehmen (EPU) werden mit Ausnahme der Steuerfrage aus eben solchen Motiven gegründet, ergab eine Studie der KMU-Forschung Austria aus dem Jahr 2011. "Andere Motive sind Unzufriedenheit mit dem ehemaligen Arbeitsplatz oder mangelnde Aufstiegschancen“, sagt Peter Voithofer, der an der Studie mitgewirkt hat. Die meisten arbeiten in den Sparten Gewerbe, Handwerk, Handel sowie Information und Consulting.

Die meisten Selbstständigen sind EPU

Mittlerweile sind EPU die größte Gruppe unter den Selbständigen und stellen in der Wirtschaftskammer die Mehrheit der Mitglieder. Zugleich scheint es fast so etwas wie einen Hype um diese Unternehmergruppe zu geben. Voithofer relativiert: "Gott sei Dank gab es in den vergangenen Jahren 30.000 Neugründungen pro Jahr und damit wesentlich mehr als in den 90er-Jahren. Diesem Wandel trägt man natürlich Rechnung und macht verschiedene Angebote, um Selbstständige zu unterstützen - die Stadt Wien mit Mingo oder die Wirtschaftskammer mit dem Forum EPU.“ Voithofer selbst würde jedem raten, sich selbstständig zu machen. Das ist nicht verwunderlich, der Studie zufolge sieht die wirtschaftliche Situation rosig aus: Der durchschnittliche Unternehmerlohn liege bei 26.000 Euro. Diese Zahl lässt Andreas Knipp bitter auflachen, denn davon könnten viele seiner Klienten nur träumen. Der Steuerberater gehört zu den Amici delle SVA, einer Gruppe von EPU, die auf Facebook bereits fast 6000 Mitglieder hat. Die Zahlen der WKO seien mit Vorsicht zu genießen, meint er, denn Kammerchef Christoph Leitl etwa sehe diese Gruppe "durch die Brille der Kammer.“ Er ergänzt: "Es gibt aber einen breiten Bereich der Neuen Selbstständigen, die nicht Kammermitglieder sind. Darunter sind viele, die weit unter der Steuergrenze liegen.“

Im Einkommensbericht der Statistik Austria findet man zwar keine Zahlen zu EPU, die Zahlen zu Selbstständigen aber sehen weniger gut aus: Demnach liegt das Medianeinkommen von jenen, die ausschließlich selbständig tätig sind, bei rund 11.500 Euro und damit an der Armutsgrenze. Unternehmensberaterin Martina Schubert (siehe Interview) verweist zudem auf den Gender-Gap: Bei Frauen liegt das Medianeinkommen bei 8000 Euro. "Das heißt, drei Viertel der Frauen liegen unter der Armutsgrenze. Diese Zahl erschreckt mich seit Jahren“, sagt sie.

Versicherung ist existenzgefährdend

Einen weiteren Anhaltspunkt bietet die SVA: Im Jahr 2011 haben ganze 200.000 der rund 360.000 SVA-Versicherten gerade einmal den Mindestbeitrag für die Pension bezahlt, damit haben sie nicht mehr als 537 bzw. 743 Euro im Monat verdient, erfährt man von der Pressestelle. Zahlen zum Anteil von Eine-Person-Unternehmen liegen der SVA ebenso wenig vor wie jene zum Anteil der Neuen Selbstständigen. Insofern fischt man bei diesem Thema im Trüben.

Einig sind sich aber alle, dass ein wesentliches Problem die Sozialversicherung ist. Anders als bei unselbstständig Beschäftigten gibt es keine Geringfügigkeitsgrenze. Wer wenig verdient, für den sind die Mindestbeiträge zu hoch, meint Knipp. Er rechnet vor: Auch wenn man nur 6000 bis 7000 Euro verdient, muss man 2000 Euro als Mindestbetrag an die SVA abliefern. "Das ist dann schon existenzgefährdend.“

Eine wesentliche Forderung der Amici delle SVA lautet, die Mindestbeiträge zu senken oder gar abzuschaffen. Voithofer von der KMU-Forschung Austria wiederum verweist auf Bemühungen, das abzufedern. In der Tat wurde schon vor längerer Zeit eine Anpassung des Mindestbeitrags in Aussicht gestellt, zuletzt aber auf 2018 verschoben. Ab dann soll die Mindestbeitragsgrundlage sukzessive auf die Geringfügigkeitsgrenze abgesenkt werden. Knipps Rat bis dahin: Sich an die SVA wenden, lange bevor Feuer am Dach ist. Denn man sei sehr wohl bereit, den Versicherten entgegen zu kommen - vorausgesetzt, man melde sich rechtzeitig.

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