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Lokalaugenschein bei Projekten für Langzeitarbeitslose.

Entspannen, in der Sonne liegen und dem süßen Nichtstun huldigen - man könnte meinen, wer nicht ohnehin auf Urlaub ist, träume bei den derzeitigen Temperaturen zumindest davon. Peter nicht. Untätig sein, dazu war er viel zu lange gezwungen. Jetzt hat er wieder etwas zu tun. Stundenweise. Allein, sagt der gelernte Grafiker, hätte er das nicht geschafft. Er leidet unter schweren Depressionen, war jahrelang arbeitslos. "Hier habe ich erstmals wirklich Hilfe gefunden", erinnert er sich.

Durchhalten ist schwierig

Hier, im Tagesstrukturzentrum (TSZ) des Wiener Hilfswerks, sollen Langzeitarbeitslose langsam wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Viele von ihnen haben, wie Peter, psychische Probleme. Alkohol, Drogen und Obdachlosigkeit kommen bei manchen noch dazu. Die Grundvoraussetzung für einen Wiedereinstieg ins Berufsleben - einen geregelten Tagesablauf - erfüllen die meisten seit Jahren nicht mehr, wenn sie hierher kommen. "Es ist natürlich sehr schwierig, wenn sie dann von heute auf morgen 25 Stunden bei einer Arbeit durchhalten sollen", hat Helli Schornböck, beim Wiener Hilfswerk für die Durchführung von Projekten verantwortlich, Verständnis. "Die Maßnahmen des Arbeitsmarktservices (AMS) setzen da zu hochschwellig an, denn 25 Wochenstunden sind dort die Mindestvoraussetzung." Das TSZ wolle zeigen, wie Integration aussehe, wenn man die Menschen langsamer stabilisiert. "Dann wird die Anbindung an AMS-Maßnahmen leichter", ist sie überzeugt.

Zehntausende Betroffene

Das Zentrum in der Wiener Blindengasse ist nur eines von 15 Modulen, die sich im Rahmen des Projektes "IdA - Integration durch Arbeit" dem (Wieder-)Einstieg Arbeitsloser ins Berufsleben widmen. Finanziert wird das Projekt gemeinsam mit 57 anderen österreichischen Einrichtungen durch das EU-Programm "Equal" zur Verminderung von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt. Wie nötig IdA ist, zeigt die Statistik: Im Vorjahr waren etwa 13.000 Menschen in ganz Österreich ein Jahr oder länger beim AMS arbeitslos gemeldet. Rund 60.000, beispielsweise Sozialhilfebezieher, scheinen in den Arbeits- marktstatistiken gar nicht auf.

Und allein beim AMS Wien, erzählt IdA-Koordinatorin Barbara Reiterer von der Caritas, hätten rund 5.000 Arbeitslose den inoffiziellen Aktenvermerk "KINT". Ein verhängnisvolles Kürzel, bezeichnet es doch die sogenannten schwierigen Fälle und steht für "keine Integration". Andere Quellen, ergänzt Reiterer, würden sogar von 12.000 Betroffenen sprechen.

Auch in den AMS-Akten von Grafiker Peter und den 27 anderen Männern und Frauen, die derzeit im TSZ versuchen, den Sprung in ein geregeltes Leben zu schaffen, finden sich vermutlich diese Buchstaben. Dass die Betroffenen trotzdem nicht resignieren, dafür wird in dem Zentrum gesorgt. Hier sollen Fixpunkte im Tages- und Wochenprogramm den Teilnehmern Konstanz vermitteln, um sie fit für die Regelmäßigkeit des Berufslebens zu machen. So steht täglich ein gemeinsames Frühstück auf der Tagesordnung, ebenso wie regelmäßige Koch- und Bewegungsgruppen und ein Computerkurs, Freitag ist Wasch- und Bügeltag. Auf die Gesundheit der Teilnehmer achtet eine Krankenschwester, gemeinsam mit einer Lebens- und Sozialberaterin werden Perspektiven und Ziele erarbeitet, zusätzlich gibt es Hilfe bei Behördenwegen. Wer sich erst einmal an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt hat, kann einige Stunden in Beschäftigungsprojekten arbeiten. Zum Beispiel in der Kreativwerkstatt des Wiener Vereins "Der Würfel". Peter werkt dort an einer Freiheitsstatue in Kleinformat. "Die soll versteigert werden, wenn sie fertig ist", erklärt er.

Reich wird er von den paar Euro pro Stunden nicht. Aber darum geht es auch nicht. Sondern um Anerkennung. Und um Perspektiven. "Seit ich hier bin, hat sich meine Depression wesentlich gebessert", freut er sich. Mittlerweile betreut er die inoffizielle Homepage des TSZ und die Webseite eines Fotografen. "Aber meine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sind natürlich dürftig", sagt er. Resignieren will er trotzdem nicht mehr.

Genauso wenig wie die Jugendlichen im steirischen Bezirk Hartberg, für die vielfach schon der erste Einstieg in den Arbeitsmarkt ein enormes Problem darstellt. Vor allem sie sind die Sorgenkinder der dortigen Caritas, die ebenfalls im Rahmen von IdA Aktivitäten setzt. Qualifizierungsmaßnahmen und die Vermittlung stundenweiser Tätigkeiten sollen die Betroffenen langfristig in den Arbeitsmarkt integrieren. Je nach Situation des einzelnen Teilnehmers werden durch Persönlichkeitstrainings oder EDV-Kurse Mankos ausgeglichen. Gearbeitet wird je nach Bedarf: "Manche Firmen decken mit uns ihre Produktionsspitzen ab", erläutert Gabriela Novy, die Hartberger Caritas-Netzwerkmanagerin. Aber auch Aufträge für Haus- und Gartenarbeiten oder für kleinere Renovierungen werden angenommen. Ziel ist es, die derzeit elf Teilnehmer dauerhaft in Betrieben unterzubringen. Was auch das Problem lösen würde, dass im Jahr 2005 die EU-Finanzierung ausläuft.

Wider die Vorurteile

Im burgendländischen Oberwart dagegen war es die hohe Arbeitslosenrate in der Volksgruppe der Roma, die die Caritas zur Teilnahme an IdA bewegte. Unter dem Namen "Mri Buti" ("Meine Arbeit") werden eine Forstwirtschaft und ein Second-Hand-Shop samt Wäscherei geführt.

Vor allem Vorurteile gegenüber den Roma sollen mit dem Projekt abgebaut werden. IdA-Koordinatorin Barbara Reiterer erzählt: "Wenn die Caritas bei Unternehmen wegen eines Jobs angerufen hat, hieß es ständig, wir sollten nur ja keinen Rom schicken." Sogar beim Oberwarter Bürgermeister war die Skepsis ursprünglich offenbar groß. Zur Einweihung des Second-Hand-Shops im vergangenen Mai ist er nicht gekommen. "Jetzt überlegt er immerhin, ob er für unseren Wäscheservice Arbeit hat", freut sich eine Teilnehmerin.

Dass sie bei fast tropischen Außentemperaturen auch noch in der Wäscherei bügeln soll, stört sie nicht. "Denn Arbeit zu haben", ist sie überzeugt, "bedeutet anerkannt zu werden."

Weitere Informationen

www.ida-equal.at

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