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Tadel, Besserung, Sicherung

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Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Prof. Dr. Grassberger, wenn er erst jüngst in einem Vortrag in der Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie, den er über die Strafe hielt, drei Funktionen hervorhebt: „Als Tadelstrafe dient sie der Bewährung der Rechtsordnung, da es ihrę /unabdingbare Aufgabe sei, den Rechtsbruch njcht nur u tadeln, sondern darüber hinaus in der Mißbilligung des unerlaubten Verhaltens die Existenz der Rechtsordnung unter Beweis zu stellen“. Da jeder Rechtsbruch seiner Natur nach schuldhaftes Unrecht ist, ist die Strafe einerseits an der Sozialschädlichkeit der Tat orientiert und wird anderseits durch die Schuld — und damit durch die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Täters — bestimmt, die sie auszugleichen hat. Hierbei ist es nicht notwendig, sich vor dem Begriff der Vergeltung zu scheuen, weil in ihr, wie einmal L a r e n z richtig erklärt hat, zum Ausdruck kommt, daß sie in Gestalt der Strafe auf den Täter zurück fällt, der sich mit seiner Tat sein Schicksal bereitet hat. Erkennt der Täter vor seinem Gewissen die Vergeltung als sinnvoll, als gerecht an, wird sie zur Sühne. Und damit bin ich bei der zweiten Funktion der Strafe, nämlich, wie Grassberger sie nennt, bei dem Besserung s- z w e c-ki -ln, dieser . Funktion soll die Strafe die Rechtschaffenheit fördern. Der kriminalpolitische Zweck der Besserung und damit auch Einordnung des Rechtsbrechers in die menschliche Gesellschaft wird ebenso wie die letzte von Grassberger angeführte Funktion der Strafe, die dahingeht, daß sie eine Elimination oder Sicherungsstrafe sei, nur dann erreicht werden, wenn sowohl von dem einzelnen Rechtsbrecher selbst die Norm „Aufnahme in das eigene Gewissen gefunden hat“ (R a d b r u c h) und wenn auch von der Allgemeinheit anerkannt wird, daß die Verpflichtung durch das Recht, nämlich seine Geltung, letzten Endes auf die moralische Pflicht des einzelnen gegründet ist (L a u n).

Bedenken

Nun gilt es zu prüfen, ob der vorliegende Entwurf diesen oben entwik- kelten Grundsätzen entspricht. Dies kann wohl an folgenden Bestimmungen abgelesen werden. Der Entwurf kennt im § 49, über das geltende Recht hinausgehend, die bedingte Verurteilung auch für Erwachsene (bisher nur für Jugendliche nach dem Jugendgerichtsgesetz vorgesehen), sieht im § 42 vor, daß das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen kann, wovon im besonderen Teil in 25 Fällen Gebrauch gemacht wird, regelt im § 52 die bedingte Entlassung milder, als es durch das Bundesgesetz vom 13. Juli 1960, BGBl. Nr. 152/60, erst jüngst geschehen ist, und hat schließlich das außerordentliche Strafmilderungsrecht des Richters im § 41 über das Ausmaß des geltenden Rechtes ausgedehnt.

Wenn die bedingte Verurteilung, besonders sofern sie bei strafbaren Handlungen, die mit keiner strengeren Strafe als f ü n f- jährigem Gefängnis bedroht sind, Platz greifen kann, so zeigt dies, daß der Gesetzgeber in einem überaus weitgehenden Ausmaß die Tadelsfunktion der Strafe ausschließt und es darüber hinaus unterläßt, den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zu berücksichtigen, der nicht gering sein muß, weil es sich um relativ schwere Delikte handelt. Sie können nämlich mit einer Strafe von fünf Jahren Gefängnis bedroht sein. Hierunter fallen die Tötung auf Verlangen, die Tötung aus Mitleid, die Mitwirkung am Selbstmord, die Kindestötung, selbstverständlich alle fahrlässigen Tötungen, Körperverletzungen und ein großer Teil der Vermögensdelikte, wird doch selbst schwerer Diebstahl nur mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft, die Nötigung, die gefährliche Drohung, die Nötigung zum Beischlaf, Zwang bzw. Nötigung zur Unzucht, die Schändung, die Gotteslästerung, die Verunglimpfung religiöser Lehren, kurz aller Delikte gegen den religiösen Frieden, um nur einige anzuführen, und die weite Anwendungsmöglichkeit dieser Bestimmung im künftigen Recht aufzuzeigen. Daß man damit in überspitzter Weise den Resozialisierungszweck in den Vordergrund rückte, braucht wohl nicht näher ausgeführt zu werden. Im übrigen widerspricht die dadurch in die Hände des Richters gelegte weitgehende Freiheit dem Gedanken der gesetzlichen Bindung des Richters im Strafrecht, wie er in der westdeutschen Republik besonders in den Vordergrund gerückt ist: es geht eben nicht an, den Zwecken der Kriminalpolitik zuliebe die allgemeinen Grenzen der Freiheit zu verflüssigen und zu entwerten. Hierin sind sich die Vertreter der klassischen Schule, wie Birkmeyer, Wach, Richard S c h m i d t u. a. ebenso einig wie die Anhänger der soziologischen Richtung, nämlich Eberhard Schmidt, Kitzinger, Heimberger u. a.

Ebenso bedenklich ist aus den gleichen Erwägungen das Absehen von der Strafe, und zwar um so mehr, wenn man sieht, welch reichen Gebrauch der Gesetzgeber davon macht. Dazu sagt Ministerialrat im Deutschen Bundesjustizministerium Dr. Eduard Dreher, daß der deutsche Entwurf diese Institution nicht kenne. „Eine derart weitgehende Ermächtigung an den Richter in einer großen Zahl von Tatbeständen erschiene uns bedenklich.“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Daß die Bestimmungen über die bedingte Entlassung in der vorliegenden Form nur der allgemeinen Aufweichungstendenz Rechnung trägt und daß diese Tendenz keineswegs der Anschauung des österreichischen Nationalrates und Bundesrates entspricht, ist nicht zuletzt daraus zu erkennen, daß sich diese Gesetzgebungskörper im Jahre I960 zu einer Novellierung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 entschlossen, die Voraussetzungen der bedingten Entlassung im allgemeinen und besonders bei Strafgefangenen, die zu lebenslangem Kerker verurteilt oder begnadigt worden sind, zu verschärfen. Schließlich haben sie durch die Bestimmung, daß die bedingte-Entlassung nur erfolgen dürfe, wenn die Vollstreckung des Strafrechtes ohne Nachteil für die Rechtsordnung unterbleiben kann, dem Strafzweck der Bewährung der Rechtsordnung Rechnung getragen und mit der nur a u s- n a hm s w e i s em Entlassung cmron Strafgefangenen mit lebenslangem .Kerker dem Sicherungszweck der Strafe gedient. Hier wird eine entsprechende Änderung dieser Bestimmungen des Entwurfes erfolgen müssen.

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