Tanzen für die Zukunft

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Bei Hiphopera wird getanzt, gesungen, Theater gespielt. Hiphopera soll Spaß machen. Und Hiphopera soll - man könnte fast meinen, ganz nebenbei - Jugendliche auf die Herausforderungen des Berufslebens vorbereiten.

Jana tanzt heute nicht. Sie sei ein bisschen krank, sagt sie, und müsse sich daher schonen. "Leider", fügt sie hinzu. Denn die 18-Jährige schwingt gern das Tanzbein. Bei dem Wiener Projekt "Hiphopera" hat sie mit 31 anderen Jugendlichen zwischen 15 und 21 Jahren die Möglichkeit, diese Leidenschaft auszuleben. Die Gruppe erarbeitet innerhalb eines Jahres gemeinsam mit Tanz-, Schauspiel-und Musiklehrern ein Hip-Hop-Musical, das sie am Ende des Projektes im Juni aufführen wird.

Was so vergnüglich klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Denn die Teilnehmer sollen möglichst viel von dem lernen, was auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Disziplin zum Beispiel. Teamfähigkeit. Verantwortungs-und Selbstbewusstsein. Sprachliche Ausdrucksfähigkeit. Die sogenannten soft skills eben, die jeder Arbeitgeber voraussetzt, die Jugendlichen aber offenbar bisher nicht gelernt haben. Ob dabei die Schule, die Eltern, die Gesellschaft oder die Jugendlichen selbst versagt haben, ist bei Hiphopera letztlich egal. Schließlich fördern der Europäische Sozialfonds und das Wirtschaftsministerium mit dem Projekt nicht die Diskussion über den Grund der Defizite, sondern deren kreative Beseitigung.

Frust ertragen lernen

Wie die meisten bei Hiphopera hat auch Jana eine Ausbildung abgebrochen und wusste nach einigen frustrierenden Erlebnissen auf dem Arbeitsmarkt nicht so recht weiter. Wie die meisten hätte wohl auch Jana keine großen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Hiphopera wurde genau für diese Jugendlichen konzipiert. Sie lernen, etwas vom Anfang bis zum Ende durchzuziehen; es auszuhalten, wenn einmal nicht alles läuft wie geplant. Und weil sie neben den künstlerischen Prozessen auch von der Dekoration über Requisiten und Kostüme bis zum Premieren-Buffet für alles selbst verantwortlich sind, schnuppern sie gleichzeitig in all jene Berufsfelder hinein, die für so ein Musical gebraucht werden: Maske, Bühnenbild, Ton-und Beleuchtungstechnik, Kostümschneiderei und Catering. Zusätzlich steht an einem Tag in der Woche Unterricht in Deutsch, Mathematik und edv auf dem Stundenplan.

Einige der Jugendlichen haben jetzt, zur Halbzeit, schon eine ungefähre Ahnung, wohin es künftig gehen soll. Jana zum Beispiel, die ihre Begeisterung für Catering und Tontechnik entdeckt hat und sich in einem der beiden Bereiche eine Lehrstelle suchen will. "Beides könnte ich mir gut als Beruf vorstellen", sagt sie. "Aber ich möchte unbedingt neben der Arbeit die Abendmatura machen, weil ich dann viel mehr Möglichkeiten habe."

Sozialarbeiter stehen den Jugendlichen beratend zur Seite, helfen, die Zukunft zu planen, einen Lehr-oder Ausbildungsplatz zu finden. Eine ehemalige Teilnehmerin hat nach ein wenig Orientierungshilfe die Studienberechtigungsprüfung gemacht, eine andere eine Lehrstelle als Fitnessbetreuerin gefunden. Für die beiden ist Hiphopera vorbei. Für die Teilnehmer, die nicht aussteigen, ist das Projekt nach einem Jahr beendet. Für einen weiteren Durchgang mit einer neuen Gruppe sind die Förderungen bewilligt, dann muss neu angesucht werden.

Aber an die Zeit nach Hiphopera wollen die meisten ohnehin nicht denken. Zu kurz sei das Programm, beklagen einige: "Ich möchte Schauspieler werden und mich am Reinhardt-Seminar bewerben. Aber für die Vorbereitung reicht dieses eine Jahr nicht", sagt einer. Ein anderer erklärt: "Lieber arbeite ich als Künstler hart und lebe trotzdem nur von 500 Euro im Monat, als ich muss mich jeden Morgen zu einer Arbeit zwingen, die mir nicht gefällt." Zustimmendes Nicken rundum. Plötzlich dreht sich das Gespräch nur noch darum, wie der Einstieg in den einen oder anderen Künstlerberuf am besten zu bewerkstelligen sei, wo es eine Schule für Stuntmen gebe und wie man sein Talent als Musiker am besten vermarkten könne.

Künstler oder Handwerker?

Sind da nicht die nächsten enttäuschenden Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt vorprogrammiert? Projektleiterin Sascha Wittmann glaubt nicht. Es gehe nicht darum, lauter Künstler heranzubilden, und das werde den Jugendlichen auch gar nicht vermittelt. "Aber es ist das Ziel, das kreative Potenzial der Teilnehmer für ihre weitere Berufslaufbahn freizusetzen." Dass dann mitunter die Euphorie groß und der Blick auf die Realität des Arbeitslebens ein wenig verstellt sei, sei doch nur verständlich. "Wann sollen junge Leute denn von einer Karriere als Künstler träumen, wenn nicht in diesem Alter?" meint Wittmann. Aber das seien vorübergehende Phasen, die Begleitung durch Sozialarbeiter stelle sicher, dass keine unerfüllbaren Hoffnungen geweckt würden. Und vielleicht sei ja auch tatsächlich jemand dabei, der Begabung und Durchhaltevermögen für eine künstlerische Laufbahn habe, gibt sie zu bedenken. Schließlich hat eine Teilnehmerin kürzlich die Aufnahme in die Vienna Musical School geschafft.

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